Ein gastfreundliches Gotteshaus. Foto: kr
600 Jahre und kein bisschen alt
Was das Berner Münster anlässlich seines Geburtstags zu erzählen weiss.
Das Berner Münster feiert am 11. März 2021 sein 600. Jubiläum. Ursprünglich als katholische Kirche gebaut, hat es sich in der Reformation gewandelt und ist aus dem kirchlichen und kulturellen Leben Berns nicht wegzudenken. Wenn Gebäude sprechen könnten, was würden sie uns erzählen?
Von Sabrina Durante*
«Als kirchliches Bauwerk sollte ich wohl bescheiden sein, doch einem 600-jährigen sei ein bisschen Stolz gegönnt. Schliesslich bin ich das unangefochtene Wahrzeichen der Stadt Bern. Lange war ich hinter Gerüsten verborgen, der Zugang zu meinem Turm den Leuten verwehrt, doch jetzt, nach Abschluss der Restaurierung, empfehle ich jeder Besucher*in, die 222 Stufen zu erklimmen: ein wunderbarer Ausblick über die Altstadt erwartet sie.
Der Ort, an dem ich stehe, ist nicht zufällig ausgewählt: ich befinde mich auf gleicher Höhe wie das Rathaus, ganz zentral, sozusagen als geistliches Gegengewicht zur weltlichen Macht. Vor mir hatte bereits seit der Zeit der Stadtgründung um 1190 die Leutkirche gestanden, die einzige Kirche in Bern, die nicht zu einem Kloster gehörte.
Familienwappen und Jüngstes Gericht
Der Grundstein zu meinem Bau wurde 1421 gelegt, und ich wurde im Uhrzeigersinn um die alte Leutkirche herum gebaut, bis ich diese sozusagen verschluckte. An der Decke meines Hauptschiffs lassen sich die Wappen der wichtigen Familien von damals bewundern – sozusagen die Forbes-Liste des spätmittelalterlichen Berns. Ursprünglich war ich ja eine katholische Kirche, und das sieht man noch heute: die Bilder des Jüngsten Gerichts etwa oder die rund 60 Darstellungen von Heiligen im Chorgewölbe haben der Reformation standgehalten. Apropos Jüngstes Gericht: darauf sind auch drei Päpste zu sehen, und nur einer von ihnen wird zum Himmel eingelassen – ein kleiner Seitenhieb nach Rom?
Katholisch, reformiert, ökumenisch
Mittlerweile bin ich natürlich reformiert, doch bezeichne ich mich als ökumenisch offen: so pflegt meine Kirchgemeinde bewusst ökumenische und interreligiöse Kontakte. Etwa als die katholische Dreifaltigkeitskirche renoviert wurde, durfte die Gemeinde ihre Gottesdienste bei mir feiern – soviel Gastfreundschaft muss sein.
Kultur liegt mir besonders am Herzen, vor allem die Musik: mit dem Münsterchor, der Berner Kantorei und dem Berner Münster Kinder- und Jugendchor versammeln sich immer wieder hochkarätige Sänger*innen unter meinem Gewölbe. Mein amtierender Organist Daniel Glaus komponiert jedes Jahr ein besonderes Neujahrsgeläut, und mit dem Zyklus der Abendmusiken holt er herausragende Künstler*innen aus der ganzen Welt zu uns.
Im Winter gibt es normalerweise den Zyklus ‹Literatur und Musik›, der wunderbare Begegnungen und Entdeckungen ermöglicht. Überhaupt freue ich mich, jährlich rund 1000 Veranstaltungen (Gottesdienste inklusive) zu beherbergen, und die Zusammenarbeit mit den Berner Kultureinrichtungen bringt ein buntes Publikum in meine ehrenwerten Hallen zusammen.
‹Machs na›
Mein Geburtstag ist auch eine Gelegenheit, nach vorne zu schauen: was wird dereinst aus mir, wenn die reformierte Kirche weiter an Mitgliedern verliert? Die gute Nachricht: ich soll die Kirche der neuen ev. Kirchgemeinde Bern werden, wenn die 12 autonomen Kirchgemeinden der Stadt fusionieren (darüber wird im 2022 abgestimmt). Alle wichtigen Feiern im Kirchenjahr werden bei mir stattfinden, und natürlich die Gottesdienste am Samstag und Sonntag. Ich finde, das passt. Schliesslich bin ich in Bern etwas Spezielles – schon mein Baumeister Erhard Küng, dem ich unter anderem die Erweiterung der Münsterplattform und die Darstellung des ‹Jüngsten Gerichts› am Westportal verdanke, signierte sein Werk mit der Inschrift ‹Machs na›. Soviel ich weiss, ist das noch niemandem gelungen.»
*Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Marlise Hubschmied, Präsidentin des Kirchgemeinderates der Münstergemeinde.
Feierlichkeiten verschoben
Am 11. März 1421 wurde der Grundstein für das Berner Münster gelegt. Die Jubiläumsfeierlichkeiten wurden wegen der Covid-19-Pandemie um ein Jahr auf den 10.- 13. März 2022 verschoben.
Mehr dazu lesen Sie HIER.
Lesetipp
Einen kurzweiligen Rückblick zu den 600 Jahren Baugeschichte des Berner Münsters liefert der Artikel «Berner Münster: Vor 600 Jahren begann der Bau»
Hörtipp
Die Glocken des Berner Münsters gehören zu den ältesten, noch spielbaren Grossgeläuten der Welt. Hören Sie auf Radio SRF: Der Glöckner von «Notre Berne» (W).
Apropos hören: Am 11. März, um 15 Uhr erklingt ein dynamisches Glockenspiel, komponiert von Organist Daniel Glaus, intoniert von Glöckner Felix Gerber. Das Münster übrigens ist täglich zwischen 12 und 16 Uhr geöffnet, ab 5. April bis 17 Uhr.