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Advent – Back to the Roots
Kolumne aus der Inselspitalseelsorge
Hassliebe Advent: Kerzen, unverwechselbarer Duft (Mandarinen, Zimt, Punsch, Tannenäste), strahlende Kinderaugen, Glanz und Glitzer. Einsame bekommen unversehens Besuch, die Heilsarmee singt. «Oh du fröhliche» bis zum Überdruss. Verschämte Frage: Wie gehen eigentlich friedliche Stimmung in der Familie und eine riesige Todo-Liste (Güetzi, Dekoration, Kärtli, Geschenke, Wichteln, besinnlich sein, Koordination der verschiedenen Weihnachtsfeiern etc.) zusammen?
Vor dem grossen Fest – Weihnachten – wurde zu alten Zeiten eine Einstimmungsphase gesetzt. Eine Einkehrchance, um sich innerlich auf das einzustellen, was kommt. Advent ist lateinisch und heisst Ankunft. Ankunft Gottes als Kind, als Mensch, bei uns, unter uns.
In der kirchlichen Tradition ist das immer so: Grossen Festen geht eine Vorbereitungszeit voraus, in der man sich ganz auf das Ereignis ausrichtet. Daraus spricht eine Lebenserfahrung: Um sich mit Leib und Seele auf etwas Bedeutendes einlassen zu können, um offen zu werden dafür, braucht es Zeit. Leere.
Dass Entwicklungen ihre Zeit brauchen, dass Veränderung dauert, dass Wandlung ein Weg ist, der nicht von heute auf morgen, nicht einfach und schnell und nicht immer machbar ist – das ist wohl eine Grundwahrheit, die aus dieser langen Vorbereitungszeit spricht. Unsere Gesellschaft hat sich andere Ideale antrainiert: schnell, schmerzlos, kurz und knackig. Heilungsprozesse werden an eine moderne Medizin delegiert, in der fast alles machbar scheint. Arbeiten hier im Spital bedeutet Effizienz, Spardruck, gezieltes und bewusstes Zeitmanage ment. Unseren Alltag ohne Online Einkauf, Abwaschmaschine, Mikrowelle und anderen Zeitsparern können wir uns kaum noch vorstellen. Ob das Resultat von all dieser Zeitersparnis mehr Ruhe, Zufriedenheit und Gelassenheit ist?
Ich mache die Erfahrung: Meine persönlichen Lebensthemen, wunden Punkte, meine Muster und Konflikte, im Zusammenleben und mit mir selber, wiederholen sich. Es geht lange, Entwicklungen durchzumachen, sich zu öffnen für Veränderungen.
Wirkliches Wachstum braucht Zeit. Mich an das zu erinnern, hilft mir der Advent. Vier Wochen Wartezeit. Ein Plädoyer für Langsamkeit, Innehalten, Offenheit, fürs Nichtstun. Ich wünschte, es fiele mir leichter.
Kaspar Junker, Seelsorger im Inselspital