Bischof Felix Gmür beindruckt die Hilfsbereitschaft der Schweiz für Ukraine-Flüchtlinge. Dennoch dürften Flüchtlinge aus anderen Regionen nicht vergessen gehen. Foto: pixabay.com/geralt

«Alle Flüchtlinge gleich behandeln»

28.03.2022

Bischof Felix Gmür zum Krieg in der Ukraine

Felix Gmür, Bischof von Basel und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, warnt davor, Flüchtlinge aus anderen Krisengebieten zu vergessen. Er sprach am Freitag anlässlich einer Medienkonferenz in Bern.

Interview: Raphael Rauch

Bei einer Friedensdemo in Solothurn Anfang März hat man Sie ungewohnt emotional gesehen. Was macht der Krieg in der Ukraine mit Ihnen?

Felix Gmür: Es geht um unfassbare Gewalt – und um das Gefühl der Ohnmacht. Ich bekomme viele Aufforderungen: «Tun Sie dies, tun Sie jenes.» Und wir merken alle: Wir können nur wenig tun. Ich war letzte Woche mit europäischen Bischöfen in der Slowakei. Vor allem die Menschen in Osteuropa sind persönlich berührt. Sie haben viele persönliche Beziehungen zu den Menschen in der Ukraine. Und sie haben auch Angst. Und das macht mich betroffen.

Haben Sie auch Angst?

Mich macht betroffen, dass die Menschen nun wieder so viel Angst haben. Es ist wichtig, dass wir als Christinnen und Christen da sind und sie begleiten.

Führt der Rat der Religionen zurzeit Gespräche mit Karin Keller-Sutter wegen der Schweizer Flüchtlingspolitik?

Momentan finden keine Gespräche statt. Der Bund hat ja schnell gehandelt mit dem S-Status für die Menschen aus der Ukraine. Wir führen mit dem Bund Gespräche über die Seelsorge in den Bundesasylzentren – aber das ist losgelöst vom Ukraine-Krieg.

Flüchtlinge aus der Ukraine erhalten einen S-Status – manche Familien aus dem Irak droht die Ausschaffung.

Für Christinnen und Christen ist klar: Ein geflüchteter Mensch ist ein geflüchteter Mensch. Jeder muss gleich behandelt werden, egal woher er kommt und was er glaubt und wie er ist. Und das ist eine grosse Herausforderung. Ich verstehe, dass europäische Menschen uns emotional vielleicht etwas näher sind. Umso wichtiger ist der Aufruf: Behandeln wir bitte alle gleich. Und ich freue mich, dass sehr viele kirchliche Einrichtungen das bereits seit langem tun.

Welche Konflikte gehen zurzeit vergessen?

Neben der Ukraine gibt es auch andere Krisengebiete, von wo uns täglich Flüchtlinge erreichen oder in den letzten Jahren erreicht haben: Eritrea, Syrien, Afghanistan, Türkei und Sri Lanka. Alle Flüchtlinge müssen gleichbehandelt werden. Es darf nicht sein, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft bevorzugt oder benachteiligt werden!

Berührt Sie die Welle der Solidarität, die zurzeit in der Schweiz zu erleben ist?

Ja – und wir müssen alles dafür tun, dass diese Solidarität erhalten bleibt. Manchmal werden Flüchtlinge wie Touristen gesehen. Dabei sind es Menschen in grosser Not und Bedrängnis. Auf uns kommt ein monatelanger, vielleicht jahrelanger Prozess zu. Die Kirchen und die Hilfswerke stehen an der Seite der Geflüchteten.

Sie haben vor zwei Wochen dem Moskauer Patriarchen Kyrill einen Brief geschrieben. Haben Sie bereits eine Antwort erhalten?

Bislang nicht.

Haben Sie Kontakt mit Vertretern der russisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchts in der Schweiz?

Nein, momentan nicht. Ich habe in der Slowakei mit anderen Bischöfen darüber gesprochen. Auch in den anderen Ländern ist der Dialog momentan schwierig. Aber wir brechen den Kontakt nicht ab. Es geht um Menschen, die an Christus glauben – und auch nach dem Krieg brauchen wir ja die Kontakte.

Haben Sie ein Lieblingsgebet für den Frieden?

Das kommt auf den Kontext an. Wir beten ja in jeder Messe für den Frieden. Wir empfangen Christus in Wort und Sakrament. Und Christus ist der Friede. Für mich ist wichtig: Der Friede kommt von Gott. Ich setze mich für den Frieden ein. Ich bete. Ich werde aktiv in dem, was ich kann. Aber letztlich ist der Friede auch ein Geschenk von Gott. kath.ch

Bischof Felix Gmür sprach anlässlich einer Medienkonferenz der Katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung. Diese stellt eine Million Franken für die Unterstützung von Ukrainer*innnen zur Verfügung.

Die Rede von Bischof Gmür an der Medienkonferenz im Wortlaut.