Regisseur Wim Wenders und Papst Franzsikus während den Dreharbeiten zu «Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes». Foto: zVg, Francesco Sforza
Als spräche der Papst direkt zu mir
Zum Wim Wenders-Film «Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes»
Am 14. Juni kommt der Dokumentarfilm «Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes» des renommierten Regisseurs Wim Wenders in die Schweizer Kinos. Das formale Rückgrat des Werks bilden vier lange Interviews mit Papst Franziskus. Dank einer besonderen Kameratechnik erhält die Zuschauerin, der Zuschauer schnell den Eindruck, als würde sich der Papst direkt an sie sie, an ihn selbst wenden.
Der Vatikan, von dem die Initiative zum Film ausging, liess Wenders und seine Equipe frei arbeiten und stellte ihnen exklusives Bildmaterial zur Verfügung. So erscheinen nun neben den Interviews wichtige Stationen des bisherigen Pontifikats auf Zelluloid: unter anderem der Auftritt von Jorge Mario Bergoglio als neugewählter Papst vor dem Petersdom in Rom, seine Reisen nach Bolivien, Lampedusa und Lesbos, seine Rede vor beiden Kammern des US-Kongresses und sein Aufenthalt im Heiligen Land. Nur einmal blendet der Film in einer sehr aufschlussreichen Sequenz nach Argentinien zurück und schildert, wie Bergoglio auf einem städtischen Platz predigt.
Rahmen des Films bildet das Städtchen Assisi. Elemente der franziskanischen Spiritualität grundieren das Werk. Die Enzyklika «Laudato si’» aus dem Jahre 2015, in welcher sich Papst Franziskus auf den Sonnengesang des Heiligen Franziskus bezieht, prägt den Film inhaltlich.
Wenders hat katholische Wurzeln. Er wollte als Jugendlicher eine Zeit lang Priester werden. 1968 aus der Kirche ausgetreten, ist er Anfang der 90er Jahre zum Protestantismus konvertiert. Er hofft, dass der jetzige Papst die Kirche so erneuert, wie es damals der Heilige Franz von Assisi getan hat. «Franz von Assisi steht für eine grundlegende Erneuerung der Kirche, für eine radikale Zuneigung zu den Armen und Ausgestossenen und für ein völlig anderes Verhältnis zur Natur. Und genau das sind ja die Eckpfeiler des Pontifikats von Papst Franziskus», sagt der deutsche Regisseur.
Bilder bewegter Massen, welche dem Pontifex zujubeln, wechseln mit Aufnahmen von Umweltkatastrophen und längeren Einstellungen, in denen der Papst gleichermassen zurückhaltend und entschieden auf Kamera und Mikrophon einwirkt. All diese Szenen sind unterlegt und begleitet von teilweise hervorragender Musik. Beinahe zu erwarten war, dass «Sólo le Pido a Dios» von Mercedes Sosa Eingang in den Film finden würde. Dass hingegen auch Patti Smith, die Ikone von Punk, New Wave und Frauenbewegung der 80er Jahre, mehrere, teilweise eindringliche Songs beisteuern würde, überrascht und fasziniert.
Wenders weiss um die Nähe von Musik und Predigen. Mindestens zwei seiner früheren Werke (Buena Vista Social Club 1999 und The Soul of a Man 2003) erzählen davon. Nicht zufällig wirkt nun sein Franziskus-Film wie ein kritikloser Tournee-Bericht eines hingerissenen Fans über eine Super-Gruppe mit ihren Hits. Schlag auf Schlag folgen die öffentlichkeitswirksamsten bisherigen Szenen aus dem fünfjährigen Pontifikat von Franziskus, als wären sie eine «Best of»-Sammlung.
Dass Wenders dabei die Verantwortung schwer spürte, das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche so filmisch einzufangen, dass die zusammengefügten Bilder auf dem ganzen Planeten begriffen werden können, ist zuweilen deutlich spürbar.
Und manchmal fragt man sich atemlos, ob der Film nicht zu starke Hoffnungen in den Papst setzt. Was ist, wenn sich diese Erwartungen nicht oder kaum erfüllen?
Und einmal geht Wenders zu weit: Die berühmte Szene, in welcher Papst Franziskus vor Weihnachten 2014 den versammelten Kurien-Mitgliedern 15 Krankheiten vorhält und die Kamera langsam über versteinerten oder erschlafften Minen seiner engsten Mitarbeiter fährt, hätte es nicht gebraucht. Da macht der deutsche Filmautor zu billig Stimmung gegen die Kurie.
Wie dem auch sei: Im Film geht Papst Franziskus mit Humor, Empathie und Zärtlichkeit auf Bauern und Arbeiter, Kinder und Erwachsene, Gefangene, Flüchtlinge und Bewohner von Elendsvierteln zu. Wer keine Möglichkeit hat, mit ihm in Genf Eucharistie zu feiern, kann dank diesem sehenswerten Film die urbane, raue und lateinamerikanische Komponente und entscheidende gesellschaftliche, ökologische und sozialpolitische Anliegen dieses vielschichtigen Papstes besser verstehen.
Franz-Xaver Hiestand SJ
Den Trailer finden Sie hier
Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes. Regie, Autor und Produzent: Wim Wenders u.a. Mit Papst Franziskus. I/D/CH 2018, 96 Minuten. Läuft ab 14. Juni im Kino CineMovie Bern und im Rex in Biel