Andreas Losch: «Es braucht eine Schöpfungsspiritualität»

Andreas Losch ist reformierter Pfarrer und Wissenschaftler und entlarvt den diesbezüglichen Dauerkonflikt als historischen Mythos.

Andreas Losch ist reformierter Pfarrer und Wissenschaftler. Die Vorstellung des Dauerkonfliktes zwischen Theologie und Naturwissenschaften sei ein historischer Mythos, sagt er.

Francesco Papagni*

«pfarrblatt»: Wie haben Sie den Weg der Wendung «Bewahrung der Schöpfung» nachgezeichnet, die es bis in die Schweizer Bundesverfassung geschafft hat?

Andreas Losch: Die Bundesverfassung hält die Verantwortung gegenüber der Schöpfung fest. «Bewahrung der Schöpfung» kommt aus dem ökumenischen Rat der Kirchen, ursprünglich aber aus der DDR-Friedensbewegung, die von «Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung» sprach. Ende der 1970erJahre begann man den Zusammenhang von Wettrüsten, fehlenden Entwicklungsausgaben und dem Wettkampf des kapitalistischen und kommunistischen Systems zu sehen. So erkannte man, dass diese drei Begriffe wesentlich sind. Die Wendung «Bewahrung der Schöpfung» geht insbesondere auf den westdeutschen Theologen Ulrich Duchow zurück.

In meiner Wahrnehmung sind diese Begriffe zu Formeln geworden. Auch Theolog:innen benutzen «Natur» und «Schöpfung», als seien sie austauschbar. Die Frage lautet dann: Ist es nicht Gott selbst, der seine Schöpfung bewahrt? Oder ist das unsere Aufgabe?

Andreas Losch: Ob hier nicht eine titanische Vertauschung vorliegt, wurde breit diskutiert: Setzt sich der Mensch an Gottes Stelle? In der theologischen Tradition ist es Gott, der die Schöpfung erhält. Ich schliesse mich der Meinung an, dass es eine Möglichkeit war, die wichtige ökologische Frage in der Theologie zu diskutieren und dann in die Politik einzubringen.

Eine populäre These besagt, die aktuelle ökologische Krise sei vom Christentum verursacht, das die Aufforderung «Macht euch die Erde untertan» (Gen 1,28) umgesetzt habe.

Andreas Losch: Es gibt geschichtliche Linien, die diese These stützen. Im Abendland ist es tatsächlich die christliche Gesellschaft, die Naturwissenschaft und Technik entwickelt hat, auch auf der Grundlage der antik-griechischen Wissenschaft. Aber es gibt auch Gegenbewegungen wie die Spiritualität des Heiligen Franziskus. Papst Franziskus hat dieses Erbe in seiner Enzyklika «Laudato sì» wieder aufgenommen. Er sagt, dass die Schäden infolge der technischen Entwicklung nicht mit Technik allein geheilt werden können. Dazu braucht es eine Schöpfungsspiritualität.

Sie sind Spezialist für das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Religion. Es hält sich die Vorstellung, dass beide ums gleiche Gebiet kämpfen bzw. dass die Wissenschaft die Religion verdrängt hat.

Andreas Losch: Wissenschaftsgeschichtlich ist das falsch, zumindest für die Entstehungsphase der Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert. Es gibt nach wie vor Leute auf beiden Seiten, die da einen Konflikt sehen, Leute, die eine Erklärung für Naturphänomene auf der Basis der Bibel suchen. Atheisten wiederum suchen sich solche Personen für ihre Schaukämpfe aus. Medial wird diese Diskussion verstärkt, sie ist aber nicht repräsentativ für die Forschung, die zum Verhältnis zwischen Wissenschaft und Religion betrieben wird.

 * Francesco Papagni ist Theologe und freier Journalist


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