Anthony McCarten, Die zwei Päpste: eine Doppelbiographie

18.12.2019

Buch- und Netflix-Tipp

Joseph Ratzinger ist Deutscher, liebt Bücher, Mozart und Lieder aus dem Berliner Kabarett. Jorge Mario Bergoglio ist Argentinier, glühender Fussballfan und tanzt regelmässig Tango. Der erste wird 2005 zum Papst gewählt – er wählt den Namen Benedikt XVI – und tritt nach nur acht Jahren freiwillig zurück. So etwas hat es in der katholischen Kirche seit 700 Jahren nicht mehr gegeben. Der zweite ist Benedikts Nachfolger – Papst Franziskus –, der erste Papst aus Lateinamerika und der erste Jesuit, der diesen Titel bekommt.

Autor McCarten führt uns in seiner Doppelbiographie zwei Mal durch das komplexe Gebilde eines Konklaves, der Versammlung von Kardinälen, die den neuen Papst wählen. Und geht danach einen Schritt zurück, um diese zwei grundverschiedenen Persönlichkeiten, die am Schluss im gleichen Amt landeten, von den Anfängen her zu begleiten – und begreifen. Verschiedener könnten sie wohl nicht sein – hier der Akademiker und Traditionalist, dort der bodenständige Reformer, der jeden Pomp ablehnt. Und doch haben beide ihre Leichen im Keller, der eine aus der Nazizeit, der andere aus dem schmutzigen Krieg, der Militärdiktatur, die jahrzehntelang unliebsame Personen verschwinden liess. Auch mit dem grossen Missbrauchsskandal der katholischen Kirche gibt es Berührungspunkte.

Seit 2013 leben beide Päpste in Rom – denn Papst ist man ein Leben lang. Und daraus ergeben sich spezielle Situationen: Was passiert, wenn der Papst an sich als unfehlbar gilt, die zwei Päpste aber in vielen Punkten entgegengesetzte Meinungen vertreten? Wenn der eine am liebsten die Beschlüsse des zweiten Vatikanischen Konzils rückgängig machen würde, der andere hingegen findet, eine Kirche, die ewig gleichbleibt, verliere zwangsläufig den Kontakt zu seinen Gläubigen?

Anthony McCarten, Neuseeländer mit irisch-katholischen Wurzeln, ist ein begnadeter Drehbuchautor – das spürt man auch in diesem Sachbuch. Äusserst kurzweilig zu lesen und sehr informativ, bringt uns das Buch zwei Personen näher, die eine nicht unwichtige Rolle in unserem Jahrhundert spielen. Das Buch ist auch die Grundlage für den Film «The Two Popes», der auf Netflix zu sehen ist – mit Anthony Hopkins und Jonathan Pryce in den Hauptrollen.

Sabrina Durante

Buch: Anthony McCarten, Die zwei Päpste. Franziskus und Benedikt und die Entscheidung, die alles veränderte. Diogenes 2019, 400 Seiten, Fr. 32.– (bei der Buchhandlung Voirol, www.voirol-buch.ch).

Fernando Merelles: Die zwei Päpste. Film

Der Film auf der Grundlage des Buches von Anthony McCarten startete kurz nach Erscheinen des Buches auf Netflix. Regisseur Fernando Meirelles wirft dabei einen sehr wohlwollenden Blick auf die beiden Päpste Franziskus und Benedikt. Sein Film ist eine «narrative Non-Fiktion», gemäss der Literaturvorlage. Es ist also keine Dokumentation. Es kann alles so gewesen sein, ist aber frei erzählt. Äusserst klug und unterhaltsam, mit geistrichen und bisweilen amüsanten Dialogen. Skandale und Krisen der Kirche klingen zwar an, bleiben aber an der Oberfläche. Dennoch: Insgesamt ist diese «Co-Produktion» von Buch und Film gelungen.

Andreas Krummenacher

Film: Die Zwei Päpste, GB/USA/I 2019. Regie: Fernando Meirelles. Mit Jonathan Pryce, Anthony Hopkins, Juan Minujín, Sidney Cole. 126 Min., exklusiv zu sehen auf Netflix