Foto: Hubert Kössler
Auf dem Weg nach Hause
Kolumne aus der Inselspitalseelsorge
Auf dem Weg von der Arbeit nach Hause komme ich an einem Aushangkasten vorbei: «Meldedienst der Kirchen». Wenn ich sehe, dass es eine neue Meldung gibt, halte ich kurz an und lese sie. Es sind fast immer Todesnachrichten. Manchmal kenne ich die verstorbene Person oder ihre Angehörigen; viele jedoch sind mir unbekannt.
Die meisten Verstorbenen sind älter als ich, manche jünger. Ab und zu hat jemand den gleichen Jahrgang – das berührt mich besonders.
Der Aushangkasten steht einfach da. Er kommentiert nicht, er interpretiert nicht. Er wirbt nicht für oder gegen etwas. Er teilt einfach mit: «Jemand aus der Gemeinde ist verstorben.»
Das hat etwas Anstössiges: Der Tod ist ganz nahe und konkret. Er macht auch vor diesem Quartier nicht Halt. Es kann jede Familie und jeden Haushalt treffen. Niemand kann das verhindern. Es ist, als wenn der Aushangkasten die Tatsache dieser Ohnmacht öffentlich bezeugt.
Damit ermöglicht er umgekehrt aber auch neue (Handlungs-)Optionen: Wenn ich die verstorbene Person gekannt habe, kann ich mich an sie erinnern. Eventuell schreibe ich eine Kondolenzkarte, vielleicht nehme ich an der Trauerfeier teil.
Wie schade, wenn man erst Wochen oder Monate später erfährt, dass jemand gestorben ist und der Abschied «in aller Stille, im engsten Familienkreis» stattgefunden hat. Das nimmt denen, die die Person gekannt haben, die Möglichkeit, ebenfalls Abschied zu nehmen. Und den Angehörigen nimmt es die Erfahrung von Gemeinschaft in eben diesem Abschied – eine Erfahrung, die tröstlich und unterstützend sein kann.
Wenn ich in diesem Quartier wohnen bleibe bis zuletzt – und wenn es dann den Meldedienst der Kirchen noch gibt –, dann wird auch mein Name irgendwann hier vermeldet sein. Anstössig und doch hoffentlich irgendwie hilfreich.
Hubert Kössler, Seelsorger im Inselspital