Um zu überleben, brauchen wir eine Gemeinschaft, die miteinander unterwegs ist. Foto: Ruben Sprich
Auferstanden aus Ruinen und Heimat für alle
Die katholische Kirche in Bern verdankt vieles der Migration
Die Katholische Kirche Region Bern ist in vielerlei Hinsicht eine Migrationskirche. Sie bietet vielen Menschen ein spirituelles Zuhause. Im Miteinander von Pfarreien, Missionen und Sprachgemeinschaften spiegelt sich nicht nur ein Bild von lebendiger Kirche, sondern von gelebter Integration.
Christian Geltinger
Die katholische Kirche in Bern verdankt ihre Renaissance im 19. Jahrhundert der Migration. Mit der Wahl Berns zur Bundesstadt kamen nicht nur zahlreiche Schweizer:innen aus den katholischen Regionen nach Bern, sondern auch ein hoher Anteil an Migrant:innen aus Italien, die im Zuge der Industrialisierung in der neuen Bundesstadt ihr Glück suchten.
Alt und Jung, Akademiker und Armutsbetroffene, Menschen unterschiedlicher Herkunft begegnen sich heute in der katholischen Kirche in Bern mit einer grossen Selbstverständlichkeit. Der Glaube vermittelt ein Menschenbild, das die Würde jeder und jedes Einzelnen ins Zentrum stellt. Anders als vielleicht vor 100 Jahren der Fall, begegnen sich hier die Mitarbeiterin des EDA und der Arbeitssuchende mit Migrationshintergrund auf Augenhöhe.
Familien der zweiten und dritten Generation
In den vielen Missionen und anderssprachigen Gemeinschaften, die im Pastoralraum Region Bern neben- und miteinander koexistieren, tritt neben der Vielfalt auch die Integrationsfähigkeit der einzelnen Gruppen zutage.
Viele Katholik:innen leben heute in der zweiten oder dritten Generation in Bern, beteiligen sich aktiv am Gemeindeleben und der Gremienarbeit oder sind bei der katholischen Kirche angestellt.
Ein Beispiel ist Mariana Botelho Roque aus der portugiesischsprachigen Gemeinde. Sie hat gerade bei der Katholischen Kirche Bern ihre Ausbildung zur Kauffrau abgeschlossen. Mit ihrer Herzlichkeit und der Art und Weise, wie sie ihren Glauben praktizieren und lebendig halten, bereichern die Missionen und anderssprachigen Gemeinschaften das katholische Leben in Bern.
JOINT-Messen am Ostring
Vielfalt ist auch eine Herausforderung. Sie verlangt von uns, den kulturellen Unterschieden wertfrei zu begegnen und offen mit dem anderen in einen Dialog zu treten. Einige mag es heute verstören, wenn ein 20-jähriger junger Mann in zerrissenen Jeans und Fussballtrikot die Kirche betritt, zur Marienstatue läuft, ihre Füsse berührt und für einen Augenblick im Gebet verharrt.
Aber Glaube ist so divers wie die Menschen, die ihn leben. Und Mission ist nicht gleichbedeutend mit Assimilation. «Ich habe meine Kompetenzen und meine Spiritualität. Doch um zu überleben, brauche ich eine Gemeinschaft, die miteinander unterwegs ist und die Stärken jedes Einzelnen wertschätzt», so Isabel Vazquez, Nationaldirektorin von «migratio». Die JOINT-Messen am Ostring, Gottesdienste zu besonderen Festtagen oder das Festival der Kulturen sind solche Orte der Gemeinschaft.
Vielfalt verbindet
Das Bekenntnis zur Vielfalt von Alter, Herkunft, Nationalität, sozialer Schicht und sexueller Orientierung, die Fähigkeit, Menschen zu integrieren, ohne sie zu bevormunden, und ihr Anderssein als Bereicherung zu empfinden, die Qualität, das Verbindende gemeinsam zu leben und zu feiern, darin liegt ein Alleinstellungsmerkmal der katholischen Kirche in Bern.
Dieser liberale und integrative Katholizismus ist sicherlich auch ein Produkt der besonderen Geschichte seit dem 19. Jahrhundert.
«… Mehr als du glaubst» – eine spannende Reportage über fünf soziale Projekte, welche die Katholische Kirche Bern unterstützt.