Christliche Mantras: Das stetige Rezitieren von Texten und Liedern in klösterlichen Gemeinschaften wirkt meditativ und vermittelt Ruhe und Gelassenheit. Foto: Diego Cervo, Fotolia.com
Beten Nonnen und Mönche jede Stunde des Tages?
Ora et labora, also «bete und arbeite», prägt auch heute den Tagesablauf jedes Klosters. Im Mittelalter war das gottgefällige Leben in einer Gemeinschaft ein radikaler Gegenentwurf zum weltlichen Leben, welches von Hunger, Not und langen Arbeitstagen überschattet war.
Für die Menschen im Kloster gehören die Gebetszeiten zur Tagesstruktur. Sie haben ihr Leben Gott geweiht und wenden sich deshalb regelmässig im Gebet zu ihm hin. Früher war dies streng geregelt: je acht Stunden Arbeit und Beten. Im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962– 1965) wurden die Stundengebete reduziert. Jedes Kloster entscheidet nun selber über die Gebetszeiten. Bis zu sechs davon sind vorgesehen, die rund drei bis vier Stunden des Tages einnehmen. Die Nachtwache oder Morgenhore (Hore = Stunde) beginnt zwischen 05.00 und 06.00 und wird mit einem Psalm begonnen, dem Hymnus, Psalmen und Lesungen folgen. Zwischen 06.00 und 07.00 folgt die kleine Hore, die Laudes (Lobgesang), oft mit anschliessender Eucharistiefeier. Mit der aufgehenden Sonne gedenkt man der Auferstehung Christi. Die Mittagshore findet in der Regel zwischen 11.40 und 12.30 statt und ist eine Zusammenfassung der sogenannten drei kleinen Stundengebete Terz, Sext und Non. Zwischen 17.30 und 18.00 folgt das Abendgebet, die Vesper, mit Hymnen, Psalmen, Vaterunser, Schriftlesungen und Fürbitten. Der Tag wird beschlossen mit der Komplet (Nachtgebet), direkt nach dem Abendgebet oder zwischen 19.30 und 20.00. Das hört sich kompliziert an – doch im Alltag trägt einen dieser Rhythmus. Jeder Mensch braucht Rituale. Im Kloster gehören weder Handyspiele, tägliche TV-Soaps noch andere Alltagsfluchten dazu. Sondern Nonnen und Mönche haben gemerkt, dass Innehalten und Abtauchen in den Dialog mit Gott eine Erholung darstellt. Andere würden es vielleicht ein Mantra nennen: Das stetige gemeinsame Rezitieren von Texten und Liedern wirkt meditativ und vermittelt Ruhe und Gelassenheit.