Sucht die Balance zwischen Kontemplation und Aktion – Klimaaktivist Claus Noppeney. Foto: Renovate Switzerland/flickr
«Beten und blockieren»
Radikales Engagement fürs Klima
Der 54-jährige Berner Katholik Claus Noppeney hat genug von leeren Versprechungen: Die Klimakatastrophe sei längst da. Deshalb hat er kürzlich mitgeholfen, eine Strasse zu blockieren. Warum ist er so radikal unterwegs?
Von Marcel Friedli
«pfarrblatt»: Sie haben mitgeholfen, eine Strasse zu blockieren (siehe Box) – sind Sie mutig?
Claus Noppeney: Mit etwas Zivilcourage habe ich auf einen Notstand reagiert: Die Klimakatastrophe ist da. Der letzte Sommer war extrem. In jedem Garten und Park sieht man die Folgen. Der politische Prozess verschleppt die notwendige Transformation seit Jahrzehnten.
Worauf spielen Sie an?
Das Pariser Klimaabkommen von 2015 sieht für die Schweiz vor, die Emissionen von Treibhausgasen gegenüber 1990 um die Hälfte zu reduzieren. Mit den bisherigen Massnahmen ist dieses minimale Ziel nicht zu erreichen.
Warum blockieren Sie Strassen – kommen Sie via Bildung und Bewusstsein nicht zum Ziel?
Liest man den letzten Weltklimabericht, kann man tatsächlich daran zweifeln, ob Bildung wirkt. Seit 1988, also seit über 30 Jahren, informiert der Weltklimarat, klärt vielfältig auf – ohne wirklichen Fortschritt. Selbst ein Diplomat wie der UNO-Generalsekretär nennt die bisherige Klimapolitik einen «Katalog leerer Versprechungen».
Ihrer Frau und Ihren Kindern ist nicht wohl bei Ihrer Sache. Weshalb engagieren Sie sich trotzdem?
Weil wir einer nie dagewesenen Bedrohung gegenüberstehen. Jede Form von Kultur und Zivilisation, wie wir sie kennen, steht auf dem Spiel.
Sie sagen, politisches Engagement in der katholischen Kirche habe Sie geprägt. Würden Sie sich auch ohne diesen Bezug engagieren?
Ohne meinen Glauben hätte ich mich sicherlich anders an der Blockade beteiligt.
Inwiefern?
Ich suche die Balance aus Kontemplation und Aktion – aus Beten und Blockieren.
Folgen Sie Vorbildern?
Der kürzlich verstorbene Jesuit Christian Herwartz hat sich regelmässig an Mahnwachen vor Gefängnissen beteiligt und dort gebetet. In einem Gespräch hat er mich verstört, als er vom Gefängnis als Tabernakel sprach: «Wir beten vor dem Gefängnis. Da wissen wir wenigstens, dass der Herr da ist.» Es dauerte eine Weile, bis mir Jesu Rede von der Wiederkunft des Menschensohnes einfiel: «Ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.»
Wie gehen Sie damit um, dass sich die meisten Autofahrer:innen über solche Aktionen nerven?
Ich kann ihren Ärger nachvollziehen. Ich selbst habe versucht, ruhig zu bleiben.
Sie sind festgenommen worden.
Die Polizistinnen und Polizisten haben getan, was die Gesetze vorsehen. Ich bin dankbar, in einem Rechtsstaat leben zu dürfen. Wer sich an einer gewaltfreien Aktion beteiligt, muss die Konsequenzen akzeptieren, die der Rechtsstaat vorsieht. Das tue ich.
Wie legitimieren Sie – nebst Ihrem Glauben – Ihr Handeln?
Ziviler, gewaltfreier Widerstand ist in einer direkten Demokratie legitim. Denn auch in Entscheiden der Mehrheit spiegeln sich Interessen und Machtverhältnisse. Ziviler Widerstand vervollständigt Demokratie und Rechtsstaat.
Wie meinen Sie das?
Es ist legitim, Entscheide der öffentlichen Kritik auszusetzen – auch wenn sie eine Mehrheit gefällt hat.
Seine Premiere als Umweltaktivist hat Claus Noppeney vor Kurzem erlebt: Mit Gleichgesinnten sorgte er dafür, dass der Verkehr in Crissier Richtung Lausanne blockiert war. Siebzig Minuten dauerte es, bis die Polizei den Verkehr wieder freigeben konnte. Sie führte die Aktivist:innen auf den Polizeiposten und setzte diese nach ein paar Stunden wieder auf freien Fuss.
«Renovate Switzerland» heisst die Bewegung, bei der sich Claus Noppeney engagiert. Sie sieht ihre Aktionen als kleinen Teil des grösseren Engagements für eine klimafreundliche Welt.