Die Päcklisuppen sind bei der Buchhandlung Voirol an der Rathausgasse 74 in Bern erhältlich. Bestellungen nimmt auch die reformierte Kirchgemeinde Wohlen info@kg-wohlenbe.ch entgegen.
Biber, Gänse und andere Fische
Die Geschichte von Essgewohnheiten in der Fastenzeit ist eine Geschichte des gastronomischen Erfindungsgeistes.
Drei ganz besondere Tütensuppen lancierten Karolina Huber und Heinz Wulf zum Luther-Jahr. Denn all die Vorträge, Bücher und Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum empfand das Pfarrerspaar in Wohlen als kopflastig. Doch Luther habe den Menschen aufs Maul geschaut. Die Historie erzählt auch sonst von Essgewohnheiten in der Fastenzeit, die überraschen.
Genüsslich leckt sich Martin Luther die Lippen auf der Päckli-Buchstabensuppe «Sola Scriptura» (Allein die Schrift). Der Blick von Huldrych Zwingli auf der Fleischkügeli-Suppe «Sola fide» (Allein durch den Glauben) wirkt etwas verhangen. Johannes Calvins Augen hingegen auf der Bündner Gerstensuppe «Sola Gratia» (Allein aus der Gnade) haben etwas Packendes. Die wohlklingenden Namen bezeichnen die theologischen Grundsätze der Reformation und der reformatorischen Theologie, nach denen die Heilsbotschaft durch die Bibel vermittelt werden. Die Wohlener Suppentüten stapeln sich im Gemeinschaftszentrum Kipferhaus, gestaltet hat sie der Grafiker Bruno Fauser.
Mit dem herrlichen Duft heisser Suppe hat Zwingli in Zürich den Glauben verbreitet. Der Reformator verpflichtete den Staat per Almosenverordnung, die Armen zu versorgen. Deren Unterstützung und die Versorgung der Kranken rückte auch Johannes Calvin in den Fokus. Er forderte Armenspeisung, denn «Allein aus der Gnade Gottes kommt das Heil und nicht durch unseren Verdienst». Zudem forderte der gestrenge Reformator Krankenhäuser und Fremdenherbergen, wobei für Arme kostenlose Behandlung erfolgen sollte. Fremde und besonders Flüchtlinge seien aufzunehmen und zu versorgen.
Martin Luther tat sich nicht als Kostverächter hervor, denn er liebte einen guten Brathering und Erbspüree, dazu eine «Pfloschen» von Katharinas selbst gebrautem Bier, wie überliefert ist. Doch er riet auch: «Trinken ohne Durst, Studieren ohne Lust, Beten ohne Innigkeit – sind verlorne Arebeyt.» Luther fastete auch, äusserte aber, der Mensch werde «nicht durch das Fasten angenehm bei Gott, sondern allein durch die Gnade, allein durch den Glauben». Die Fastenzeit des Mittelalters bedeutete Askese. Auf der Verbotsliste: Fleisch, Eier, Milch und Käse. Erst Ende des 15. Jahrhunderts hob Papst Julius II. die strengen und freudlosen Regeln auf. Verboten war lediglich Fleisch – Eier, Fisch sowie Milchprodukte wurden fortan zugelassen. Die Zoologie tat sich zu dieser Zeit allerdings nicht durch Präzision hervor. So wird von mittelalterlichen Klöstern in Bayern erzählt, dass die Ordensleute fröhlich Gänse verspeisten, denn als Wassertiere konnten die nahrhaften Tiere gut als Fische durchgehen. Welche Tiere man essen durfte und welche nicht, war eigentlich immer klar: Das Fleisch «warmblütiger Tiere» hatte Papst Gregor I. schon im Jahr 590 verboten. Fisch war erlaubt. So wurden im Lauf der Jahrhunderte einige Säugetiere und Vögel zu Fischen ehrenhalber erklärt. Ein Benediktiner-Abt in Fulda fand zudem eine pfiffige Auslegung: Laut Genesis seien Fische und Vögel am selben, nämlich am fünften Schöpfungstag, geschaffen worden – wären also dieselbe Gattung Tier.
Diese Entwicklung bekam dem Biber und auch dem Fischotter gar nicht gut: Christof Angst, Leiter der Biberfachstelle des Bundesamtes für Umwelt BAFU, erklärt: «Im Mittelalter ging es dem Biber an den Kragen. Zum einen, weil er ein schönes Fell besass, zum anderen, weil er per päpstlichen Edikt zum Fisch erklärt wurde, da er sich überwiegend im Wasser aufhält und sein Schwanz geschuppt ist.» Mit dieser eigenwilligen Klassifizierung war es somit an Fastentagen erlaubt, Biber zu braten. Diese Meinung hielt sich bis ins 18. Jahrhundert. Im «Wald-Forst-und Jägerey-Lexicon» von 1754 steht geschrieben: «Man koente mit recht sagen, dass der Bieber halb Fisch, halb ein Thier zu Lande sey, zumalen da er niemalen lange aus dem Wasser seyn kann, und fast allezeit mit dem Schwantze im Wasser eingetauchet bleiben muss.»
Im schwäbischen Kloster Maulbronn lebten einfallsreiche Mönche. Während des dreissigjährigen Krieges (1618–1648) erfanden sie die Maultasche (eine Art Riesen-Ravioli) – bis heute ein geliebtes Regionalgericht. Zur Fastenzeit bekamen sie ein grosses Stück Fleisch geschenkt. Der Hunger war in Kriegszeiten gross. Also häckselten die kreativen Mönche das Fleisch klein, versteckten es in Spinat und anderen Zutaten. Das Ganze verschwand in den Teigtaschen. Kein Wunder wird die Maultasche deshalb gerne als «Herrgotts-Bscheißerle» bezeichnet.
Bei Schokolade stritt man sich einige Zeit, ob sie ein Nahrungsmittel und verboten oder ein Getränk und erlaubt sei. Im Jahr 1569 schickten die mexikanischen Bischöfe den Mönch Girolamo di San Vincenzo zu Papst Pius V. (1566–1572). Der Pontifex sollte entscheiden, ob «Xocolatl» in der Fastenzeit als Getränk erlaubt sei. Der Papst entschied: «Potus iste non frangit jejunium» (Schokolade bricht das Fasten nicht).
Sicherlich tut es angesichts des Überangebots an Speisen gut, manchen Produkten zu entsagen – ob in der Fastenzeit, oder nicht. Die Reformationssuppen der Gemeinde Wohlen bieten die Gelegenheit, beim Löffeln in sich zu gehen.
Christina Burghagen
Hier gibt es die reformierte Buchstabensuppe:
Reformierte Kirchgemeinde Wohlen bei Bern
Ökumenische Buchhandlung Voirol