Abdelwahab Meddeb (1946–2014). Foto: Yves Tennevin
Buch - Die Krankheit des Islam
Abdelwahab Meddeb fehlt. Er ist leider im vergangenen November viel zu früh verstorben. Man hätte so gerne gelesen, was er zu den aktuellen Ereignissen rund um den islamistischen Terror in Paris, Nigeria oder Irak geschrieben hätte. Meddeb war Literat, Gelehrter, Kunstkenner, Islamexperte, Schriftsteller und Lyriker. Und er hat unermüdlich aktuelle Ausformungen des Islam kritisiert und sie in einen historischen Kontext gestellt. Er machte damit deutlich, dass sich die Islamisten nicht auf eine irgendwie geartete Tradition berufen können. Meddeb stammte aus einer Familie von islamischen Theologen und Schriftgelehrten. Er kannte den Koran, seine Entstehungsgeschichte und was zu ihm geschrieben wurde. Die Terror-Buben von Paris wären ab seiner Kenntnis wohl erblasst. Meddeb liebte die muslimische Kultur seiner Vorfahren. Er liebte die einst grosse, blühende und tolerante Zivilisation. Eine Zivilisation voller Gelehrter und Astronomen, philosophischer Spekulationen und frecher Dichter. Vor diesem Hintergrund war seine Fassungslosigkeit über den aktuellen Zustand der arabischen Welt gross. «Was ist nur aus uns geworden?», fragte er. Für ihn stand eines fest, die Werte und die Ästhetik schwanden, «sobald die Verführung zwischen den Geschlechtern verboten wurde». Im gleichen Atemzug nannt er den grossen Averroës. Jener arabische Philosoph, der im 12. Jahrhundert entschieden die Emanzipation der Frauen forderte.
Andreas Krummenacher
- Abdelwahab Meddeb, Die Krankheit des Islam, Unionsverlag 2007, Fr. 15.90
- Abdelwahab Meddeb, Zwischen Europa und Islam, 115 Gegenpredigten. März 2003 bis Januar 2006. Wunderhorn 2007, Fr. 39.90