Buchtipp: Sebastian Barry, Tausend Monde

25.08.2020

Die Fortsetzung von «Tage ohne Ende», erzählt aus der Perspektive des Indianermädchens Winona.

Wem der Westen im Vorgänger-Roman «Tage ohne Ende» zu wild war, der wird sich über den Süden wundern: hier, in Tennessee, geht nämlich die Geschichte von Thomas McNulty, John Cole und dem Adoptivmädchen Winona weiter.

Jetzt hat sie das Wort, und was für eines! Sprachgewaltig wie zuvor McNulty erzählt sie von ihrer Kindheit bei ihrem Stamm, den Lakota; davon wie es war, bei den Männern aufzuwachsen, die ihre Familie getötet haben könnten und die sie doch so sehr liebt; davon wie es ist, für die einen etwas Goldenes, für die anderen aber ein Nichts zu sein. Denn in Tennessee sind Indianermädchen in der gesellschaftlichen Ordnung noch tiefer als befreite Sklaven. Der Bürgerkrieg ist verloren, und der Rechtsstaat noch ungefestigt. Auch ihr Zahlentalent und ihre Stellung als Buchhalterin beim lokalen Anwalt kann sie nicht vor der brodelnden Gewalt schützen, die jede Minute über die kleine Familie und der Farm hereinbrechen kann. Mit einer jugendlichen Unschuld nimmt Winona wahr, was um sie herum geschieht. Sowohl sie wie der befreite Sklave Tennyson, der auf der Farm lebt, werden Opfer brutaler Attacken. Doch Winona ist im Herzen eben auch eine Lakota-Kriegerin, zieht los, um das Unrecht zu rächen, und entdeckt eine Seite an sich, die ihr bisher verborgen war.

Ein bisschen Entwicklungs-, ein bisschen Kriminalroman, und immer in einer erfrischenden Sprache geschrieben. Und wenn Winona sinniert, was für ein seltsamer und verlorener Ort die Welt ist, wo Gefahr überall lauert, so hat sie immer auch eine optimistische Perspektive, in der das Gute, die Liebe, die ihr aus so vielen Menschen entgegenstrahlt, die eine Wahrheit ist, die alles zusammenhält.

Sabrina Durante


Sebastian Barry, Tausend Monde. Erscheint Ende September im Steidl Verlag. Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. 256 Seiten, ISBN 3958297757