CJA-Preisträger 2016 Heinrich Rusterholz an der Preisverleihung am 10. Mai im Gemeindehaus der Jüdischen Gemeinde Bern. Foto: Christoph Knoch
CJA-Preis 2016
... zur Förderung der Begegnung und des Dialogs zwischen Judentum und Christentum in der Schweiz
... zur Förderung der Begegnung und des Dialogs zwischen Judentum und Christentum in der Schweiz
Bereits zum vierten Mal hat die Christlich-jüdische Arbeitsgemeinschaft Bern den CJA-Preis zur Förderung der Begegnung zwischen Judentum und Christentum vergeben. Er wurde dieses Jahr an Pfarrer Heinrich Rusterholz, früherer Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, verliehen. Anschliessend kam es zu einer regen Diskussion über die Zukunft des christlich-jüdischen Dialogs. Einstimmig wählte die CJA Bern die Historikerin und Journalistin Hannah Einhaus zur Co-Präsidentin.
Flüchtlingspfarrer Paul Vogt (1900-1984) ist längst ins kollektive Gedächtnis und in die Geschichtsbücher über die Schweiz im Zweiten Weltkrieg eingegangen. Kaum bekannt ist das Schweizerische Evangelische Hilfswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland (1937-1947), das er ins Leben gerufen hat. Seine Arbeit schuf die Grundlage für den nach 1945 einsetzenden christlich-jüdischen Dialog. Rusterholz hat in jahrelangen Forschungen dessen Geschichte recherchiert und in einem umfangreichen Buch vorbildlich dargestellt. Dafür hat er den CJA-Preis 2016 und Ende April den theologischen Ehrendoktor der Universität Zürich erhalten.
Zusammen mit dem Theologen Karl Barth (1886-1968) gelang es Vogt, das Hilfswerk in der Schweizer Pfarrerschaft und den Kirchgemeinden zu verankern. Einerseits publizierte es erste theologische, noch stark von Antijudaismus durchtränkte Arbeiten über das Verhältnis zwischen Christen und Juden. Viel wichtiger wurde die konkrete Arbeit des Hilfswerks. Zunächst unterstützte es Pfarrer der Bekennenden Kirche, also jener Kirche, die im Kampf gegen die «Gleichschaltung» der offiziellen evangelischen Kirche entstanden war. In den Kriegsjahren galt die Hilfe Flüchtlingen, zunächst Christen, die ursprünglich aus dem Judentum stammten. Als dann im November 1942 der Zürcher Rabbiner Zwi Taubes das Hilfswerk über die im Gang befindliche «Abschlachtung» der Juden Europas informierte, setzte es sich in Wort und Tat auch für die verfolgten Juden ein. Dank persönlichen Begegnungen zwischen der jüdischen und reformierten Seite entwickelte sich nun ein Vertrauensverhältnis. Nach der Shoa gründeten Paul Vogt und andere am 28. April 1946 die Christlich-jüdische Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung des Antisemitismus in der Schweiz.
Wie soll es nach 70 Jahren weitergehen mit dem christlich-jüdischen Dialog? Rusterholz erinnerte an die schon für Vogt und seine Leute entscheidende persönliche Begegnung mit jüdischen Menschen. Warum könnte so was nicht auch bei jungen Menschen heute funktionieren? Seine Enkelin habe mit der Schule das Konzentrationslager Dachau besucht. Eindrücklich sei es gewesen, doch irgendwie habe der persönliche Bezug gefehlt. «Warum also nicht eine gemeinsame Reise von christlichen und jüdischen Jugendlichen organisieren?», fragte Rusterholz.
Mit dem Vorschlag eines «dies judaicus» oder «Tag des Ersten Testamentes» rannte er offene Türen ein. Anders als die Schweizer Katholiken kennen die Reformierten keinen Tag des Judentums. Aus dem Publikum wurde vorgeschlagen, diesen Tag ökumenisch am ersten Sonntag im September, dem Europäischen Tag der jüdischen Kultur, zu begehen. Auch die Forderung, die Ursprünge des Christentums vorurteilsfrei darzustellen, blieb unbestritten. Doch auf die Frage nach der Verbreitung des Antijudaismus im Kirchenvolk heute, gab es unterschiedliche Antworten. Ein katholischer Theologe berichtete, dass viele Gemeindeglieder die Geschichten aus dem Alten Testament sehr schätzten. Sein reformierter Kollege machte andere Erfahrungen: Zu oft noch habe das Alte Testament einen geringeren Wert als das Neue Testament. Geteilter Meinung war man in der Frage, ob der Dialog zu einem Trialog mit dem Islam oder gar zum Gespräch mit allen Religionen ausgeweitet werden soll.
In den letzten 70 Jahren waren es hauptsächlich Pfarrer und Theologen, die die CJA prägten. Gut möglich, dass sich die Wahl von Hannah Einhaus zur jüdischen Co-Präsidentin – den Pfarrblatt-Leserinnen von ihren Artikeln bestens vertraut – als Glücksfall erweisen könnte. Sie ist nämlich mit dem Haus der Religionen bestens vernetzt.
Peter Aerne
Hinweise:
Homepage der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft Bern: www.cja-bern.ch
Buchempfehlungen:
Heinrich Rusterholz, «… als ob unseres Nachbars Haus nicht in Flammen stünde». Paul Vogt, Karl Barth und das Schweizerische Evangelische Hilfswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland 1937–1947, Theologischer Verlag Zürich 2015, 712 Seiten, CHF 72.00
Victor Conzemius (Hg.), Schweizer Katholizismus 1933-1945. Eine Konfessionskultur zwischen Abkapselung und Solidarität, Verlag NZZ Zürich 2001, 696 Seiten