«Macht teilen und Machtmissbrauch haben miteinander zu tun», sagt Claudia Mennen, stellvertretende Geschäftsführerin der «Allianz Gleichwürdig Katholisch». Ein Flyer regt zum Nachdenken an, wie die Rollen in der Liturgie verteilt sind. Foto: Manuela Matt

Claudia Mennen: «Einsatz für Reformen wird zu einem Luxusthema»

Seit vier Jahren bündelt die «Allianz Gleichwürdig Katholisch» (AGK) die Reformkräfte der katholischen Kirche Schweiz. Zeit für ein Gespräch: Was hat sie erreicht und wo möchte sich künftig wirken?


Sylvia Stam

«pfarrblatt»: Die Aufbauphase der «Allianz Gleichwürdig Katholisch» ist abgeschlossen. Wie zeigt sich das?

Claudia Mennen*: Wir haben Inhalt und Struktur geklärt: Wir äussern uns, wenn es um Gleichberechtigung und Gleichwürdigkeit geht. Entsprechend haben wir uns beim Thema Synodalität stark engagiert. Das Schweizer Synoden-Mitglied Helena Jeppesen-Spuhler ist auch Mitglied in der Steuergruppe der AGK. Strukturell haben wir unser Netzwerk aufgebaut, die Website steht und es gibt eine App für die interne Kommunikation. 

Bei Ihrer Kampagne «Wir legen ab» wurden Seelsorgende aufgefordert, als Zeichen gegen Klerikalismus an Allerheiligen ihre Albe abzulegen. Wie kam diese Aktion an? 

Mennen: Sie kam nicht so gut an, wie wir uns das gewünscht hatten. Die Aktion löste in den eigenen Reihen Widerstand aus, weil die Albe theologisch die Taufwürde aller Getauften sichtbar mache. 

Wie haben Sie auf diesen Widerstand reagiert?

Mennen: Wir haben unser Anliegen nochmals erklärt und die Zeichenhaftigkeit deutlich gemacht. Unter anderem wurde ein Flyer gestaltet, um Gleichwürdigkeit in der Liturgie zu thematisieren: Wer sitzt im Altarraum? Wer ergreift das Wort? Wer sucht die Gebete aus? Das sind alles Sensibilisierungsmassnahmen, um Ungleichheit in der Liturgie zu thematisieren. Die Karten sind sehr gut angekommen, wir mussten sie mehrfach nachdrucken. Die Pfarreien nutzen sie mit den Lektor:innen , in der Liturgiegruppe, dem Pfarreirat etc. 

Welche Resonanz hat der Button ­«Segen für alle»? 

Mennen: Beim diesem Button geht es darum, dass Seelsorgende und Pfarreien mit einem Button auf der Website und in den pfarreilichen Räumen sichtbar machen: Wir segnen alle Paare, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, auch im Kontext des kirchlichen Gebäudes. Das stiess auf grosse Resonanz, rund 70 Seelsorgende machen bislang mit. 

Schweizweit gesehen sind 70 Seelsorgende nicht viel. Finden Reformanliegen heute keine Resonanz mehr in den Pfarreien?

Mennen: Der konstante Personalnotstand führt dazu, dass Seelsorgende alle Ressourcen für das Tagesgeschäft brauchen. Wir hören oft: «Ich würde mich gerne engagieren, aber mir fehlt die Zeit dazu.» Sich für Reformen zu engagieren, wird zu einem Luxusthema. 

Sie sind bei der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) vorstellig geworden zur Frage, ob Missio und Privatleben entkoppelt werden können. Was hat die SBK geantwortet?

Mennen: Die SBK hat das Anliegen an ihre Kommission für Theologie und Ökumene delegiert, die einen Zwischenbericht verfasst hat. Die SBK hat uns geantwortet, sie kommentiere Zwischenberichte nicht. Allerdings zeigt die Bischofssynode etwas anderes: Zur Transparenz gehört auch, Zwischenberichte zu veröffentlichen und Externe einzubeziehen. Die Schweizer Bischöfe sind offenbar nicht an einem öffentlichen Dialog zu dieser Frage interessiert. 

2025 startet die Projektphase unter dem Slogan «Macht teilen, Missbrauch verhindern». Missbrauchen Sie da nicht die Missbrauchskrise für Reformanliegen?

Mennen: Die Strukturen der katholischen Kirche begünstigen Missbrauch. Dazu gehören der Klerikalismus, eine Sexualmoral, die die anthropologischen Kenntnisse nicht ernst nimmt, und ein Clan-Bewusstsein zölibatär lebender Männer, die ihre Macht absichern. Macht teilen und Missbrauch haben also miteinander zu tun. 

Wie setzen Sie den Slogan um?

Mennen: Wir möchten wirksamer werden auf der Ebene der Pfarreien und Pastoralräume. Zum Thema «Macht teilen» wird es eine Roadmap unter dem Namen «gleichwürdig unterwegs» geben. Dies ist eine Selbstverpflichtung, bei der Pfarreien, Vereine, aber auch Landeskirchen sich selbst überprüfen können: Wie gleichwürdig sind wir in den Bereichen Leitung, Kommunikation, Seelsorge, Missbrauchsprävention, Liturgie und Theologie? Denn Synodalität findet nicht nur in Rom oder Basel oder bei der SBK statt, sondern auch in den Pastoralräumen. 

Und wie sieht diese Roadmap ­konkret aus? 

Mennen: Sie ist als Kartenset aufgemacht, das zum Diskutieren anregt. Die Roadmap soll nachhaltig sein und ist darum auf mehrere Jahre angelegt. Unsere Idee ist, dass eine Pfarrei beispielsweise sagt: Dieses Jahr schauen wir uns den Bereich Missbrauchsprävention genauer an: Wie gehen wir bei den Einstellungen vor? Wie sehen Nähe und Distanz mit Kindern und Jugendlichen aus? Wie mit Amtsträgern und Ehrenamtlichen? Nach einem Jahr kann die Pfarrei Bilanz ziehen, was sie konkret unternimmt, und dann vielleicht zum Thema Sprache übergehen: Wie gleichwürdig ist unsere Sprache in Stellenausschreibungen, Flyern, Liturgien etc.?

Die Römisch-Katholische Zentral­konferenz (RKZ) wird die AGK ­künftig nicht mehr finanzieren. ­Weshalb nicht?

Mennen: Die RKZ hat uns in den vergangenen vier Jahren während der Aufbauphase der AGK aus dem Projektfonds finanziert. Das war sehr wichtig, um die Allianz zu etablieren. Länger geht das leider nicht, weil die RKZ eine Aktion in der Regel nur ein bis zwei Jahre aus dem Projektfonds unterstützt. 

Wie finanziert sich die AGK in ­Zukunft?

Mennen: Die AGK wird von Stiftungen, der Fastenaktion, von Landeskirchen, Ordensgemeinschaften, Kirchgemeinden sowie von privaten Spender:innen unterstützt. Neu werden wir bei weiteren Landeskirchen, Kirchgemeinden, Stiftungen bis hin zu Einzelpersonen um Unterstützung anfragen.
 

* Claudia Mennen ist Mitglied der Steuergruppe und hat Mentari Baumann bis Anfang Dezember in der Geschäftsleitung vertreten.

 

 

Für eine glaubwürdige Kirche

Die «Allianz Gleichwürdig Katholisch» (AGK) wurde im Januar 2021 gegründet. Die Projektgemeinschaft setzt sich für eine gleichberechtigte, glaubwürdige und solidarische römisch-katholische Kirche ein. Zur AGK gehören Einzelpersonen und Organisationen, darunter der Schweizerische Katholische Frauenbund, die Jubla, der Verband Katholischer Pfadi, ausserdem Pastoralräume, Pfarreien, Landeskirchen und die IG für Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld.