Den Geist einhauchen, damit der Mensch zu einem lebendigen Wesen wird. Foto: Thomas K. / photocase.de

Corpus et anima

18.04.2018

Am Ende des Leichensezierens wissen, dass es eine Seele gibt...

Der Tod ist für viele Menschen ein Tabuthema. Und eine Leiche noch viel mehr, obwohl jede*r von uns sicher einmal im Leben einen toten Menschen sieht.

Ich möchte von einer ganz persönlichen Erfahrung erzählen, ohne makaber zu sein, aber um vielleicht auch selbst einmal dieses Schweigen zu brechen.
Wir begannen bereits im ersten Studienjahr der Medizin mit dem Sezieren von Leichen. Keiner von uns wusste so genau, was zu erwarten war und wie man reagieren würde. So versammelten wir uns das erste Mal aufgeregt im Anatomiesaal der Uni Fribourg, ein überschaubarer Raum, frische 15°C, zehn Tische, auf welchen die abgedeckten Körper lagen.

Eineinhalb Jahre lang arbeiteten wir uns an zwei Nachmittagen pro Woche Schicht um Schicht durch den menschlichen Körper. Manchmal musste ich das Gesehene dann doch jemandem erzählen, und die erste Frage war fast immer: «Was für Tiere seziert ihr denn?» Dann folgte der geschockte Blick auf meine Antwort. Wie ich das könne? Ob mich dieses Gesicht nicht verfolge? Ob ich denn wisse, wer dieser Mensch war?

Und plötzlich kamen viele Fragen und ich merkte, das ist ein Thema, das abschreckt, aber gleichzeitig fesselt. Ja, ich konnte das. Nein, das Gesicht verfolgte mich nicht. Unsere Professoren legten grossen Wert auf Respekt im Umgang mit diesen Körpern. Um ehrlich zu sein, ab und zu brauchte es schon einen kleinen Witz, aber der Respekt war immer da. Und oft war man so konzentriert auf die Arbeit, auf diesen kleinen winzigen Nerv, den man finden musste, dass man gar nicht auf die Idee kam, komische Gedanken zu haben.

Jede Einzelheit des menschlichen Körpers zu sehen, werde ich nie vergessen. Das Staunen, die vielen Eindrücke, die Erkenntnis, wie komplex dieses System ist, wie stabil und doch gleichzeitig fragil dieses Wunderwerk Mensch ist. Zu diesem Menschen, der uns seinen Körper zur Verfügung gestellt hatte, überkam mich aber erst zuletzt ein Gedanke, als wirklich nichts mehr übrig war. Dieser Gedanke war ganz klar: Das kann nicht alles sein. Körper und Geist, eine Einheit, die sich irgendwann auflöst, von der aber ein Teil weiterbesteht.

«Wir nehmen uns die Zeit» im Überblick

 

 

 

Anna von Däniken 21, die Interlaknerin studiert Humanmedizin in Fribourg. Die Jubla ist ihr eine Lebensschule. Sie spielt Geige und Gitarre, liebt die Natur und will den Menschen helfen.