Es erfüllt den Orgelbauer Christian Gfeller, «etwas Bleibendes geschaffen zu haben». Foto: Pia Neuenschwander
Das achte Werk
Orgelbauer Christian Gfeller
Pfeife um Pfeife: Der 82-jährige Langnauer Christian Gfeller arbeitet an seiner achten Orgel. Ob er sie vollenden kann, ist offen.
Von Marcel Friedli
So. Genau so, exakt so. Müssen sie klingen. Meine Orgeln. Von diesem Gefühl ist Christian Gfeller ergriffen, durchdrungen und beseelt. Er ist Mitte zwanzig, sitzt in der Jesuitenkirche in Solothurn und wird zu Musik. «Diese Orgel atmet. Sie hat die perfekte Resonanz», denkt er. Diese Klänge hat Christian Gfeller in den Ohren, als er seine erste Orgel zu bauen beginnt, in der Garage seiner Eltern. «Es ist nicht möglich, etwas zu kopieren. Jede Orgel klingt je nach Kirche anders», sagt Christian Gfeller heute, knapp sechzig Jahre später.
Werke aus seiner Hand
Doch diese Illusion hat Christian Gfeller geholfen, seinen eigenen Weg zu finden. Mit Ausprobieren, Erkennen, Anpassen, Tüfteln: Jede seiner sieben Orgeln hat ihren eigenen Charakter, ihre Ästhetik – je nach Einfluss (siehe Kasten), unter dem sie entstanden ist.
Ist die Orgel gebaut, und hat sie ihren Platz gefunden, geht die Beziehung über Jahre weiter: Christian Gfeller sorgt auch danach dafür, dass es ihr gut geht und dass sie bekommt, was sie benötigt, um flüssig und klangvoll bespielt zu werden. «Eine Orgel ist wie ein Kind, das man begleitet und bei dem man beobachtet, wie es sich entwickelt und ankommt.»
Zweitausend Stunden Arbeit hat er jeder seiner Orgeln gewidmet. Speziell an ihnen ist, dass er es ist, der alles macht: Christian Gfeller tüftelt den Grundriss aus, kreiert das Gehäuse mit spezifischer Ästhetik. Er feilt an den Pfeifen, bis sie perfekt sitzen. «Bei Firmen, die Orgeln herstellen, ist jeder Arbeitsschritt spezialisiert. Bei meinen kleinen Orgeln ist es wenig sinnvoll, die Arbeiten von verschiedenen Leuten ausführen zu lassen. Besser ist es, wenn dieselben Hände die Pfeifen anfertigen und intonieren.»
Christian Gfeller kann das, was Spezialisten, vor allem wenn sie aufs Handwerkliche fokussiert sind, meist nicht beherrschen: Orgel spielen – also sein eigenes Werk testen: es erklingen lassen. «So kann ich meine Orgeln mit meinen eigenen Händen und Ohren kennenlernen und selber erleben und hören, wie sie sich entfaltet. Und ich kann selber prüfen, ob der Klang die stimmige Spannung hat, die passende Stärke und Intensität.»
Etwas Gültiges schaffen
Seine sieben Orgelkinder hält Christian Gfeller für relativ geglückt. Besonders freut er sich, wenn seine Tochter auf seiner Orgel in der Kirche in Worb spielt. «Etwas Gültiges geschaffen zu haben, das bleibt, auch wenn ich selber nicht bleibe: Das empfinde ich als erfüllend.»
Christian Gfeller ist an der achten Orgel. Er geht jeden Tag in seine Werkstatt, nimmt indes keine neuen Aufträge mehr an. Er kann nicht mehr so lange arbeiten, wie er möchte. Zudem macht ihm zu schaffen, dass seine Hände zittern und er die Pfeifen nicht mehr selber machen und montieren kann. «Ich zweifle, ob ich die achte Orgel noch zu Ende bauen kann. Zudem benötige ich, um meine Ideen und Entwicklungen abzuschliessen, ein zweites Leben.» Vielleicht wird seine achte Orgel doch noch fertig. So dass sie dereinst in einer Kirche ertönt – bespielt von seiner Tochter.
Kunst und Handwerk im Einklang
Christian Gfeller spielte als Bub Klavier, hatte ein Faible für Barockmusik und wuchs neben einer Kirche auf. Weil er sich auch an der Hobelbank zuhause fühlte, verdichtete sich sein künstlerisches und handwerkliches Talent im Beruf des Orgelbauers. Nach Lehr- und Wanderjahren im Raum Zürich und in Norddeutschland eröffnete er 1974 seine Werkstätte. Orgelreisen nach Holland, Norddeutschland, Mitteldeutschland, Paris und Italien flossen in sein Werk ein. Zudem war er zehn Jahre Organist in der katholischen Kirche Langnau. Der 82-jährige Vater von zwei Töchtern lebt mit seiner Frau, die Bratsche spielt, in Langnau.