Das Buch mit 7 Siegeln
- Redewendung mit apokalyptischem Hintergrund. Ein Beitrag zur Jahresserie um die Zahl 7.
Gibt uns etwas Rätsel auf oder verstehen wir etwas nicht, sprechen wir gerne von einem «Buch mit sieben Siegeln». Die Redewendung hat apokalyptische Hintergründe.
Es gibt in der Geschichte der Menschheit wohl kein anderes schriftliches Dokument, das den Mythos um die Zahl sieben so befeuert hat wie die Apokalypse oder die Geheime Offenbarung. Ihr Autor bezieht sich laut dem Experten Reinhard Schlüter insgesamt 65-mal auf die magische Zahl, davon allein im Buch mit sieben Siegeln 54-mal. Die Autorschaft des Werkes ist umstritten. Es wurde lange dem Apostel Johannes zugeschrieben. Als Nicht-Theologe äussere ich mich dazu nicht, abgesehen davon, dass es für unser Thema keine Rolle spielt, wer die Apokalypse geschrieben hat: Das Werk spricht für sich selbst.
Die grosse Prophezeiung am Ende des Neuen Testaments ist in Form eines Briefes abgefasst. Die sieben Sendschreiben richten sich an die sieben Gemeinden in Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea. Die Wissenschaft geht davon aus, dass diese Siebenzahl auch signalisiert, dass der Verfasser einen viel grösseren Adressatenkreis im Blick hatte. Wenn also die Zahl sieben eine Einheit symbolisiert, so kann es durchaus sein, dass die sieben genannten Gemeinden für die gesamte Gemeinschaft der im damaligen Römischen Reich unter Druck geratenen Christinnen und Christen steht. Sie will der Autor trösten und ihnen Hoffnung geben.
Die Apokalypse ist voller Anspielungen und Allegorien, was sie für uns Heutige – da haben wir es – zu einem Buch mit sieben Siegeln macht(allerdings nicht nur für uns Normalsterbliche …). Der Begriff liegt umso näher, als das «Buch mit den sieben Siegeln» bei den prophetischen Visionen eine zentrale Stellung einnimmt: Im fünften Kapitel bekommt das Lamm von Gott eine mit sieben Siegeln versehene Buchrolle. Nach und nach enthüllt sich ihr Geheimnis, zuerst die vier apokalyptischen Reiter, beim fünften Siegel erscheinen die Seelen der Märtyrer, beim sechsten bebt die Erde und werden die 144 000 Gottesknechte aus allen Stämmen Israels mit einem Siegel gekennzeichnet. Beim Brechen des siebten Siegels «trat im Himmel Stille ein, etwa eine halbe Stunde».
Dann bekommen sieben Engel je eine Posaune. Auf jeden der sieben Posaunenstösse folgt ein gewaltiges Inferno, doch damit nicht genug des Siebner-Schreckens: Zu Beginn des Jüngsten Gerichts (Kapitel 15) sieht der Verfasser «sieben Engel mit sieben Plagen, den sieben letzten; denn in ihnen erreicht der Zorn Gottes sein Ende». Warum er diese Erscheinung als «gross und wunderbar» bezeichnet, bleibt sein Geheimnis. Ich würde stattdessen eher das Adjektiv «furchterregend» verwenden. Denn die Plagen, die in sieben Schalen aufbewahrt worden sind, bringen unter anderem Geschwüre, tödliche Hitze-, Dürre- und Erdbebenkatastrophen, vernichten alle Lebewesen im Meer, und Städte werden dem Erdboden gleichgemacht.
Die Apokalypse endet tröstlich. «Es entstehen ein neuer Himmel, eine neue Erde und das neue Jerusalem», heisst es. Interessanterweise spielt die Sieben hier keine Rolle mehr. An ihre Stelle tritt eine andere heilige Zahl: «Zwölf Tore und zwölf Grundsteine, auf denen die Namen der zwölf Apostel stehen.»
Synes Ernst