«In den Missionen konnten Saisonniers ihr Herz ausschütten», sagt Pater Antonio. Foto: Ruben Sprich
Das Daheim in der Fremde
Die Missionen als Anker für die Saisonniers
Kulinarisches, kulturelles, katholisches Daheim: Für die vom Saisonnierstatut betroffenen Arbeitsmigrant:innen aus Italien war die italienischsprachige Mission in Bern ein Anker.
Von Marcel Friedli
Der Schweizer Wirtschaftsmotor in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren brummte: So wurde gebaut, gebaut, gebaut. Der Motor lief auf Hochtouren, nahe am Überhitzen. Arbeitskräfte waren gefragt, vor allem Saisonniers, mit befristeten Verträgen. Diese Arbeiter:innen aus Italien, Spanien, Portugal etc. konnten die Schweizer Chefs gezielt einsetzen, so dass sie keine Kosten verursachten, wenn saisonbedingt Flaute herrschte.
Später, nach dem Ölpreisschock ab 1973, federte die Schweiz die wirtschaftliche Krise ab – mit Saisonniers, die viel zum hiesigen wirtschaftlichen Wohlstand beitrugen.
Am Abend und am Wochenende, wenn die Maschinen ruhten, waren die Arbeiter auf sich allein gestellt: Sie waren, vor allem am Anfang, oft ohne Frau und Kinder hier, die sie zurücklassen mussten: Der Familiennachzug war lange nicht erlaubt und wurde erst später etwas gelockert. Die Folge: Viele Italiener:innen waren einsam, sozial kaum eingebettet.
Fokus auf den Familien
Diese Lücke füllte in Bern die italienischsprachige katholische Mission. «Viele Menschen aus Italien haben bei uns», sagt Pater Antonio Grasso, «ein Zuhause gefunden, wo sie hingehen konnten – einen Ort, wo sie ihr Herz ausschütteten und wo ihnen zugehört wurde.» Und wo sie so essen konnten, wie sie es gewohnt waren; so konnten sie ihre Kulinarik pflegen: im eigenen Ristorante, das 1959 entstand. Später kam ein Theatersaal dazu, ebenso gab es kulturelle Angebote, wie Filmabende mit gemeinsamem Essen.
Der Fokus lag auf den Familien. Zum einen bei der Betreuung und Bildung der Kinder, als diese später doch nachreisen durften. Hier spielten die Ordensschwestern eine zentrale Rolle: «In welcher Schweizer Krippe», fragt Antonio Grasso, «wäre es möglich gewesen, die italienischen Kleinkinder zu betreuen – und zwar von fünf Uhr morgens bis spätabends? Sie Friedlikamen zu uns, oft schliefen die Kinder noch, in Decken eingewickelt. Das ermöglichte den Vätern und Müttern, Geld zu verdienen.»
Leid und Freud
1963 wurde die Kirche der italienischsprachigen Mission gebaut. Nächstes Jahr wird deren 60-jähriges Bestehen gefeiert. Mit der Kirche erweiterte sich das soziale und kulturelle Angebot. «Ein spiritueller Ort, an dem Menschen über Generationen hinweg ein liebevolles Wort erhalten haben», sagt Padre Antonio. «Wo sie getröstet wurden, Freude erlebten, den Schmerz teilten.»