Wofür stehe ich ein? Foto: Milan Popovic/unsplash
Das eigene Profil
Gabriela Scherer entdeckt in den Wahlplakaten eine Aufforderung zur Selbstreflexion.
«Wählen Sie mich!» In den vielen Gesichtern, die uns derzeit auf Wahlplakaten entgegenlächeln, wird diese Aufforderung vermittelt. Die Kandidat*innen müssen in den verschiedenen Formen des öffentlichen Auftritts motivierend und verständlich auf den Punkt bringen, welche Werte sie im Amt vertreten wollen. Das ist das Ergebnis intensiver Arbeit.
Was würde wohl in meinem eigenen Profil zum Ausdruck kommen, wofür ich einstehe? Diese Frage ist natürlich nicht bloss politisch, sondern viel umfassender gemeint. An welchen Werten und Zielen orientiere ich mich? Welches Vermächtnis hinterlasse ich auf dieser Welt? Und was sind meine Motive, wenn ich mich für etwas engagiere?
Sich dessen zu vergewissern, ist so wichtig, um all die vielen Entscheidungen des Lebens – die kleinen und die grossen – bewusst nach diesem Kompass und stimmig mit dem eigenen Sein auszurichten. Die Stoiker im alten Griechenland kannten eine heilsame Übung: vom Lebensende her auf das eigene Leben zurückzuschauen. Wenn ich mich auf dieses Gedankenexperiment einlasse – was erscheint rückblickend wertvoll und löst Freude und Dankbarkeit aus? An welchen Aufgaben konnte ich wachsen?
Stelle ich mir diese Fragen heute schon ganz ehrlich, dann wird mir zudem bewusst, was ich an meinem Leben heute ändern sollte. Wenn bleibende Werte geschaffen werden sollen, geht es auch immer um Grösseres. Das heisst, als Orientierungspunkt nicht mehr nur Ziele anzustreben, die meinen eigenen Interessen entgegenkommen, sondern auch nach Werten zu leben, die einem höheren Zweck dienen und zum Gemeinwohl beitragen. Bin ich bereit, auch Dinge zu tun, von denen ich keinen direkten Gegenwert oder «Profit» erhalte?
Wahlplakate können durchaus eine Einladung sein, selbst über das eigene Engagement nachzudenken. In dem Fall: Bitte lächeln – und dann viel Erfolg bei der Umsetzung Ihres eigenen Lebensprofils!
Gabriela Scherer
… setzt sich als Leadership-Coach im Lassalle-Institut und mit ihrem eigenen Unternehmen für eine Führungskultur «mit Wert-Schöpfung» ein.
Illustration: schlorian