Donald Trump bei seiner Siegesrede am Mittwochmorgen in Florida. Screenshot: YouTube.
Das Heilsversprechen des Donald Trump
Das Verhalten Donald Trumps im Moment seines Triumphs hat den Neutestamentler Markus Lau an Heilsversprechen anderer Herrscher erinnert - und daran, was die Bibel davon hält.
Markus Lau*
Die Auszählung der Wähler:innenstimmen war noch gar nicht abgeschlossen, da trat Donald Trump begleitet von Familie, Parteikolleg:innen und Freund:innen vor seine in Florida versammelte Anhängerschaft und die Weltöffentlichkeit. Er deklarierte sich zum 47. Präsidenten der USA, wiederholte eine Vielzahl seiner bekannten Slogans und versprach, mit seiner Regentschaft beginne «the golden age of America» (nachzuhören z.B. hier; im O-Ton: «this will truly be the Golden Age of America»).
Politische Heilsversprechen
Dieses politische Heilsversprechen ist alt, ja uralt – und das nicht nur, weil Donald Trump diesen Slogan vom Goldenen Zeitalter verschiedentlich während des Wahlkampfs genutzt hat. Das ganze Konzept des Goldenen Zeitalters ist ein zutiefst antikes. In verschiedenen Traditionssträngen lässt es sich in antiken Texten unterschiedlicher Provenienz und Gattung und nicht minder auch in antiken Bildzeugnissen nachweisen.
Das Goldene Zeitalter dient dabei der Charakterisierung von Zeit, in der Regel konkret einer bestimmten Epoche. Goldene Zeiten sind dabei von Frieden zwischen allen Lebewesen (egal ob Mensch und/oder Tier), von Prosperität, Wohlstand, einer überfliessenden Natur, die von selbst ihre Gaben spendet, von gelebter Gerechtigkeit und in jeder Hinsicht idyllischen Zuständen geprägt. Das Goldene Zeitalter ist die Vision eines Sozial- und Naturparadieses, eine letztlich utopische Idylle.
Augustus, Nero und Co.
Dieser visionär utopische Charakter des Konzepts, der dem Anspruch nach heilvolle Bedeutung für die ganze Welt hat, verhindert allerdings nicht, dass es sehr konkret politisch funktionalisiert und in Stein sowie Metall materialisiert wird. Angefangen bei Kaiser Augustus sehen zahlreiche römische Herrscher das ideale Goldene Zeitalter mit ihrer jeweiligen Regentschaft angebrochen. Durch das Wirken des Augustus, des Nero, des Vespasian oder des Hadrian, um nur einige Kaiser zu nennen, realisieren sich, so der An- und Zuspruch der politischen Botschaft, Goldene Zeiten.
Dieses Heilsversprechen, das damit auch Teil politischer Herrschaftspropaganda ist, wird durch Feste oder auch durch so genannte Wohltaten (etwa in Form von Steuererleichterungen, Titelverleihungen oder die Errichtung von Bauwerken) inszeniert und punktuell realisiert. Und es wird durch Inschriften, literarische Texte, Bauplastik, Kunstwerke und nicht zuletzt auch eine entsprechende Münzprägung in die Breite des römischen Reiches kommuniziert. Der militärisch gesicherte Frieden der pax Romana, der auch auf Besatzung, Unterwerfung und Krieg gründet, wird damit als Frieden des Goldenen Zeitalters ausgegeben.
Wider dem politischen Heil
Neutestamentliche Evangelien setzen sich mit diesem im 1. und 2. Jh. n. Chr. sehr breit bezeugten politischen Heilsversprechen kritisch auseinander, indem sie Merkmale des Goldenen Zeitalters in ihre Jesuserzählungen aufnehmen, auf Jesus übertragen und zugleich schonungslos benennen, ja demaskieren, dass die Herrschaft der irdischen Herren der Welt mitnichten Goldene Zeiten heraufbeschwört.
Ein Kronzeuge dafür ist Lk 2,1–20. Das lukanische Weihnachtsevangelium hält fest, dass mit Jesu Geburt und keinesfalls mit Augustus, dem im Text als einer Art Obersteuereinnehmer der Welt und gerade nicht als Retter des Kosmos eine primär fiskalische Präsenz zu eigen ist (vgl. Lk 2,1f.), wahrhaft goldene Zeiten des Friedens begonnen haben und Jesus der Retter der Welt ist, so Lk 2,10–14.
Lukas und Markus leisten Widerstand
Lukas wie etwa auch das Markusevangelium leisten damit Widerstand gegen die Vorstellung, der römische Kaiser könne als Heilsbringer schlechthin betrachtet werden. Sie zeigen vielmehr auf, dass die römische Kaiserherrschaft viele Menschen klein macht, an den Rand drängt und nicht selten von Gewalt und Machtmissbrauch geprägt ist (vgl. z. B. Mk 10,41–45).
Goldene Zeiten verbinden Texte wie das Markus- und Lukasevangelium insofern nicht mit der Herrschaft der Kaiser. Sie setzen auf ein anderes, biblisch-jüdisches Konzept eines Goldenen Zeitalters, nämlich auf die Vorstellung des angebrochenen und sich immer weiter realisierenden Reiches Gottes, an dessen Umsetzung alle Menschen mitarbeiten können. Allzu menschlichen Heilsversprechen erteilen biblische Texte damit eine Absage. Oder anders: Sie lassen ein Bewusstsein dafür erahnen, dass Goldene Zeiten immer auch etwas Unverfügbares und Geschenkhaftes haben, sie nicht das Werk einzelner Mächtiger sein können, sondern den guten Willen vieler, ja aller benötigen.
Trump als Imperator
Es ist vor diesem Hintergrund bezeichnend, dass Donald Trump in Wahlkampf und erster Siegesansprache ein durch und durch imperiales Konzept römischer Kaiser auf seine eigene Präsidentschaft bezieht und sich selbst als Heilsbringer inszeniert. Er steht damit in einer ausgesprochen langen Traditionskette. Wünschen möchte man sich, dass das, was das Goldene Zeitalter der Idee nach ausmacht, gutes, gerechtes und gelingendes Leben für alle Menschen unabhängig von Nationalität, Geschlecht, sozialem Status, sexueller Orientierung, Glaube … in den kommenden Jahren etwas mehr Wirklichkeit wird.
Die Erfahrungen mit dem 45. Präsidenten der USA und seiner unilateralen America-First-Politik stimmen freilich keineswegs hoffnungsvoll. Und so reibe ich mir an diesem Mittwoch, dem 6. November, einmal mehr verwundert die Augen, dass ein recht durchschaubares politisches Heilsversprechen, dass mit einem starken Mann an der Spitze einmal mehr schon alles gut und gleichsam golden werde, in einer komplexen, unübersichtlichen und von Kriegen gebeutelten Welt einmal mehr verfangen konnte. «Im Westen nichts Neues!?»
* Erstpublikation auf feinschwarz.net
Prof. Dr. Markus Lau ist Inhaber des Lehrstuhls für Neutestamentliche Wissenschaften an der Theologischen Hochschule Chur.