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Der Trost im trust der «Seelensorge»

15.05.2019

Thomas Wild über zwischenmenschliche Zuwendung und die Bereitschaft, sich trösten zu lassen

Kürzlich begrüsste mich eine Patientin mit den Worten, «Ah, Sie sind der Seelensorger!». Die leichte Variation des gebräuchlichen Ausdrucks blieb hängen und veranlasste mich, über die Seelsorge und ihr «Geschäft» im Spital nachzusinnen.

Die Sorge um den Menschen als Seele ist uns allen, sei es als Selbstsorge, als Sorge für den Nächsten oder als Sorgfaltspflicht gegenüber der Umwelt aufgetragen. Keine und keiner muss sich diesbezüglich als Fachperson ausweisen. Über Erfahrungswissen in existentiellen Dingen verfügen wir alle. Expert*innen sind wir vor allem dafür, was unsere eigenen Geschichten betrifft. Allein schon dadurch, dass wir Teil davon sind und unsere Identitäten daraus beziehen. Gleichzeitig sind wir befangen, sind eingeschliffen in unsere eigenen Modalitäten, Gefangene unserer Deutungsmuster. Das spüren wir vor allem in Krisen und bei Trauer.

Nicht ungeachtet der Fragen, warum wir leiden, sondern weil diese Fragen meist unbeantwortet bleiben müssen, obliegt der Seelsorge die «kulturelle» Aufgabe zu trösten. Trost wird herkömmlich als zwischenmenschliche Zuwendung verstanden – mit dem Ziel, Schmerz und Traurigkeit zu lindern und die seelische Verfassung zu stärken. Hilfreiches Trösten hat nicht die Aufgabe, das Leiden aufzuheben. Das Trösten richtet sich nicht auf die Symptome, vielmehr auf die leidende Trägerin der Symptome. Es sucht den Menschen da auf, wo er ist – im Leiden, Trauern, Hadern oder Verzweifeln. Die Aufgabe des Tröstens zeichnet sich durch Solidarität aus: darin, dass sie den Menschen in den Demütigungen und Verletzungen, die ihm das Schicksal zugefügt hat, nicht allein lässt. Dieses Verständnis von Trost erhält durch den Wortstamm «Treue» Unterstützung: Trost finden wir in der verlässlichen Erfahrung, im Leid wahrgenommen zu werden. Der «trust», der im Trost steckt, weist uns auf das Kerngeschäft der Seelsorge hin: Die Bereitschaft, sich trösten zu lassen, ist ein Zeichen einer vertrauenswürdigen Beziehung zu einem Anderen. Der Halt muss mental gedeckt sein: Der trostbedürftige Mensch muss intuitiv wissen, dass er sich «anbinden» kann, dass es in diesem Anderen etwas Tragendes gibt, das seinem Schmerz standhält. Das Dasein dieses Anderen gleicht jener Spaltbreite offener Türen, durch die ein Hauch von Licht ins Dunkle gelangt – und es den Betroffenen ermöglicht, nicht nur am Leben zu bleiben, sondern wieder ins Leben und in die lebensspendenden Beziehungskontexte hineinzukommen («re-entry»).

Die jüdisch-christliche Tradition sieht diese Bewegungsrichtung in Gott selbst begründet, der die Welt erschaffen hat, um darin mit uns zu sein und in versöhnter Gemeinschaft die Einsamkeit zu überwinden. Innerhalb moderner Strukturen säkularisierter Gesellschaften ist die Aufgabe des Tröstens wie ein kleines, unscheinbares Salzkorn zu verstehen: als würzige Beigabe in den von Ökonomisierung und Digitalisierung geprägten Gesundheitsinstitutionen.

Pfr. Thomas Wild, ref. Co-Leiter Seelsorge Inselspital

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