Foto: unsplash/Bruno Wolff

«Der» Weg

18.09.2019

Patrick Schafer entdeckt neue Seiten an einem alten Symbol

Auf einer Wanderung betrachte ich meist aufmerksam und interessiert die Zeitangaben auf den gelben Wegbeschilderungen. Je nach Tagesform, Sonnenstand, Hungergefühl oder bereits zurückgelegter Wegstrecke kann eine solche Zeitangabe motivierend oder auch entmutigend für mich sein. Das Gelände, auf dem sich der bevorstehende Weg präsentiert, steuert sicher zusätzlich entscheidend dazu bei, wie leichtfüssig – oder auch nicht – ich einen solchen Wegabschnitt angehe.

Manchmal gilt es auch, lange und mühsame Wegstrecken zurückzulegen. Neulich, in einem Gespräch mit der Ehefrau eines jüngeren Patienten, kamen wir auf das Thema «Weg» zu sprechen und darüber, wie schnell und unvorbereitet ein solcher Moment eintreffen kann – ein Unfall, der alles auf den Kopf stellt. Nichts ist mehr, wie es war. Plötzlich stellen sich ganz neue Fragen, und andere Herausforderungen werden zentral.

Die Ehefrau erzählte mir, dass sie von verschiedenen Seiten höre: «Es wird ein langer und beschwerlicher Weg.» Dabei verstehe sie eine solche Aussagenicht ganz. Denn es sei doch einfach «sein Weg» oder «unser Weg», den es zu gehen gelte. Das sagte sie ohne jegliche Anzeichen von Groll oder Zweifel. Sie meinte es absolut wertfrei.

Die Aussage dieser jungen Frau berührt mich sehr. Sie zeugt von Mut und Zuversicht – von Mut, sich dem zu stellen, was kommen mag, und von Zuversicht, dass es trotz allen Schwierigkeiten eine gangbare Route gibt.

Die Frau sprach zudem etwas aus, das ich als zutiefst befreiend von äusseren Zwängen und als Zuspruch an das Leben überhaupt empfinde. Sie sagte, es gebe nicht einfach «den» Weg, der von aussen bestimmt und beurteilt wird; einen Weg, dem wir entsprechen oder uns versagen können. Sie sprach davon, dass es «der» Weg ist – «der» Weg, den man unter anderem mit Mut und Zuversicht zu «seinem» eigenen Weg macht. Ein persönlicher Weg, auf dem trotz allem Zufriedenheit, Freude und auch Glück zu finden sind.

So wird es ganz nebensächlich, mit welcher Zeitangabe die bevorstehende Wegstrecke versehen ist.

Patrick Schafer, kath. Seelsorger

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