Die Mutter aller Gebete fasst die Lehre Jesu kurz und prägnant in sieben Bitten zusammen. Foto: Pia Neuenschwander
Die 7 Bitten des Vaterunsers
Kürzer als im Vaterunser lässt sich die Botschaft Jesu nicht zusammenfassen. Dass dies in sieben prägnanten Sätzen geschieht, ist kein Zufall!
Das Vaterunser ist das am weitesten verbreitete Gebet des Christentums. Die Mutter aller Gebete fasst die Lehre Jesu kurz und prägnant in sieben Bitten zusammen. Dass die Siebenzahl ausgerechnet an dieser Stelle auftaucht, ist kein Zufall – die Sieben unterstreicht hier, wie so oft in der Bibel, die Bedeutung des Gesagten.
Es war im vergangenen Frühsommer, als mich nachts die Frage aus dem Schlafe riss: Befinden sich die sieben Vaterunser- bitten auf der Liste der Beispiele, die im Rahmen dieser «pfarrblatt»-Serie die Besonderheit der Zahl Sieben darlegen sollten? Der Schreck war umsonst, das Vaterunser stand auf der von der Redaktion und mir gemeinsam festgelegten Liste an zweitletzter Stelle. Hätte es gefehlt, wäre das unverzeihlich gewesen.
Wie wir den Evangelien entnehmen können, hat Jesus sehr viel gebetet. Über den Inhalt seiner Gebete erfahren wir jedoch kaum etwas. Eine der wenigen Ausnahmen bildet das Vaterunser. Es ist gleichzeitig das einzige Gebet, das Jesus mit der Aufforderung, es ihm nachzubeten, als Vorlage formuliert hat: «So sollt ihr beten.» So hat Matthäus den Text überliefert (Mt 6,5-15). Und bei Lukas (Lk 11, 1-13) heisst es: «Wenn ihr betet, so sprecht: …»
Die Wir-Formulierungen im Vaterunser deuten darauf hin, dass es in erster Linie in Gemeinschaft gebetet werden sollte. Dank seiner kurzen Form und seiner einfachen Sprache lässt sich das «Herrengebet», wie es auch genannt wird, leicht auswendig lernen. Hinzu kommt eine klare Struktur: Das Vaterunser schafft zuerst eine Vertrauensbeziehung zwischen Gott und den Menschen (unser Vater) und beginnt dann mit drei Du-Bitten, die sich auf Gott beziehen. Ihnen folgen vier Wir-Verse, die sich um das menschliche Leben (tägliches Brot) und Zusammenleben (Vergeben) unter den Menschen drehen.
Kürzer als im Vaterunser lassen sich Botschaft und Lehre Jesu nicht zusammenfassen. Dass dies in der heute noch gängigen Fassung nach Matthäus in sieben prägnanten Sätzen geschieht, ist kein Zufall: Wo etwas Bedeutsames erzählt wird, kommt in der Bibel sehr oft die heilige Zahl Sieben ins Spiel. Möglicherweise ist das auch ein Grund, weshalb sich die längere Matthäus-Version mit der Zeit gegenüber jener von Lukas durchgesetzt hat, die nur fünf Bitten aufweist.
Das Vaterunser ist das gemeinsame Gebet aller rund 2,3 Milliarden Christinnen und Christen auf der ganzen Welt, egal welcher Konfession sie angehören. «Im Gegensatz zu Taufe, Abendmahl oder Amtsverständnis hat sich die Christenheit im Laufe ihrer Geschichte über das von Gott in Jesus Christus den Menschen gegebene Gebet entzweit», lesen wir in «Rede und Antwort stehen. Glauben nach dem Unservater», einem vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund herausgegebenen Buch.
Konkreter Ausdruck dieser Gemeinsamkeit ist seit 1966 das ökumenische Vaterunser. Faszinierend ist aber in jedem Fall, dass ein 2000 Jahre alter Text im Verlauf der Geschichte nichts von seiner verbindenden Kraft eingebüsst hat.
Synes Ernst
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