Noch heute eine gängige Redewendung zum Thema Konjunkturzyklen: die 7 fetten und die 7 mageren Jahre. Foto: Pia Neuenschwander
Die 7 fetten und die 7 mageren Jahre
Vom Träumer zum Superminister: die Geschichte von Josef. Der aktuelle Beitrag von Synes Ernst zur Jahresserie um die Zahl 7.
Vom Träumer zum Superminister: Die Josef-Erzählung ist eine der schönsten und beliebtesten Erfolgsgeschichten des Alten Testaments. Eine besondere Rolle spielen darin Träume, in denen es um die Zahl Sieben geht.
Zur Alltagslektüre von Börsenanalysten, Anlageberatern und sonstigen Wirtschaftsgurus dürfte die Bibel wohl nicht zählen. Wenn sie aber über Konjunkturzyklen und -prognosen schreiben, was zu ihrem Kerngeschäft gehört, taucht regelmässig die Redewendung von den sieben fetten und den sieben mageren Jahren auf. Diese hat ihren Ursprung im Alten Testament, im Kapitel 41 der Genesis.
Obwohl der Text vermutlich 2500 Jahre alt ist, hat sich das einprägsame Bild bis heute in den Köpfen gehalten, auch wenn sein Aussagewert der Realität nicht mehr vollkommen entspricht: Infolge geänderter Rahmenbedingungen sind die Konjunkturzyklen heute allgemein kürzer als sieben Jahre.
Der mächtige Pharao hat zwei Träume. Im ersten sieht er sieben fette Kühe, die von sieben mageren aufgefressen werden. Im zweiten verschlingen sieben «kümmerliche» sieben «pralle volle» Ähren. Weil sämtliche Weisen des Landes ratlos sind, lässt Pharao Josef aus dem Gefängnis holen. Ihm eilt der Ruf voraus, er könne Träume deuten. Das tut er auch jetzt.
«Siehe, sieben Jahre kommen, da wird grosser Überfluss im Lande Ägypten sein. Nach ihnen aber werden sieben Jahre Hungersnot heraufziehen», sagt er und unterbreitet dem Herrscher gleich einen Vorsorgeplan, wie das Land vor der drohenden Katastrophe zu retten sei.
Vom Gehörten war der Pharao so beeindruckt, dass er zu Josef, der von seinen Brüdern als Sklave nach Ägypten verkauft worden war, sagte: «Nachdem dich Gott all das hat wissen lassen, gibt es niemand, der so klug und weise wäre wie du. Du sollst über meinem Hause stehen und deinem Wort soll sich mein ganzes Volk beugen.» Man stelle sich das einmal vor: Josef, eben erst noch Häftling, war nun «Herr über Ägypten», so die Genesis. Etwas prosaischer würde man seine Funktion heute als «Superminister» bezeichnen, der für die Ressorts Wirtschaft und Arbeit zuständig ist (wie Wolfgang Clement von 2002 bis 2005 in der Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder).
In seiner grossen Tetralogie «Joseph und seine Brüder» (1926 bis 1943) wiederum machte der Schriftsteller Thomas Mann den klugen Manager und Haushaltspolitiker Josef zum «Ernährer». Diesen Ehrentitel verlieh der in den USA im Exil lebende Mann auch gerne dem Kriegspräsidenten Roosevelt, der mit seinem New Deal das Land aus der Rezession der 1930er Jahre herausgerissen hatte.
Die Geschichte Josefs ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund zu lesen, dass die Menschen seit je immer wieder versucht haben, sich gegen kommende Gefahren zu schützen. Warum wohl gingen in allen Fürstenhöfen und Königspalästen die Wahrsager und Sterndeuter ein und aus? So präzise aber wie Josef, der immer auf Gottes Hilfe verwies, waren wohl die wenigsten.
Die Muotathaler Wetterschmöcker bewundern heute noch die Genauigkeit der Voraussagen Josefs. «Eigentlich» gehörte ihm deshalb die Ehrenmitgliedschaft des Meteorologischen Vereins Innerschwyz, hiess es 1997 in der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Vereins.
Synes Ernst