Karin Gündisch, Pfarreiseelsorgerin in Bern-West. Foto: Pia Neuenschwander
Die Kirche ist in Bewegung
Drei Seelsorgende aus dem Kanton Bern erzählen über ihre Erfahrungen im Lockdown
Die katholische Kirche hat schnell auf den Lockdown reagiert. Die Seelsorge hat sich von einem Tag auf den Anderen vom persönlichen Gespräch auf den telefonischen, schriftlichen und digitalen Austausch verlegt. Existenzängste, Ungewissheit, Einsamkeit und die Sorge um Verwandte und Bekannte waren die Hauptthemen.
Autorin: Blanca Burri
Drei Pfarreien, drei Seelsorgende, drei Regionen, doch alle nahmen den Lockdown ähnlich wahr. Karin Gündisch von den Pfarreien Bern-West: «Als bekannt wurde, dass die Gottesdienste nicht mehr öffentlich stattfinden werden, fragten wir uns im Team, wie wir die Leute trotzdem erreichen können?» Als direktestes Kommunikationsmittel hat sich das Telefon bewährt. Das Team hat Listen geführt und die Menschen vom inneren Kreis gesamthaft zwei bis drei Mal angerufen. Zudem wurden sehr schnell Briefe aufgesetzt, die digital und per Post versendet wurden.
Jure Ljubic aus der Pfarrei Meiringen Guthirt erzählt von der schriftlichen Ostergrussbotschaft und Niklaus Hofer aus der Pfarrei Huttwil von der Passantenseelsorge, die zusätzlich zur Telefonseelsorge vermehrt genutzt wurde. Zudem hat der Familienseelsorger Hofer Flyer für die Gottesdienstfeier im Familienkreis gestaltet. «Die Reaktionen darauf waren aber bescheiden. Lediglich eine Mutter hat mir erzählt, dass ihre Kinder sich mit grosser Freude unaufhörlich die Lieder angehört haben, das war alles.» Anders ging es Jure Ljubic. Er wird oft auf die Osterkarten angesprochen, das Zeichen wurde sehr geschätzt.
Viele Betende in Kirchen
Alle drei Seelsorgenden gaben an, die Kirchen dem Kirchenjahr entsprechend gestaltet zu haben. In Huttwil wurde der Kreuzweg aufgebaut. In Bern fand das Fürbittenbuch einen zentralen Platz und auf Flyern waren Meditationsanleitungen aufgelegt. In Meringen, Brienz und Hasliberg läuteten zudem die Glocken täglich gemeinsam mit den reformierten Kirchen, um Mut zu machen.
In allen Kirchen zeugten viele Opferlichtkerzen von Menschen, die dort individuell beteten. Als besonders wertvoll schätzten Niklaus Hofer und Karin Gündisch die Nachbarschaftshilfe und die Hilfe unter Bekannten. Überall ist viel Eigeninitiative gezeigt worden. «In den Gemeinden haben sich die Leute organisiert um für Risikogruppen einzukaufen, da hat es unsere Initiative nicht mehr gebraucht», fasst Hofer zusammen.
Neue Kontakte
Karin Gündisch ist erstaunt über den spannenden, tiefgründigen Austausch mit Leuten, mit denen sie vor Corona wenn überhaupt nur oberflächlich diskutiert hat. «Beim Kirchenkaffee sitzen wir oft zusammen und reden über dies und das. Doch diese Gespräche sind ganz anders, als die Telefongespräche in Corona-Zeiten.» Besonders überrascht war sie von einer Dame die gerne unter anderen Menschen ist. Gündisch vermutete, dass sie sich während dem Lockdown sehr alleine fühlen würde. Aber sie habe sich nie beklagt, im Gegenteil alles hingenommen, wie es eben war und immer eine Beschäftigung gefunden. «Das zeigte ihre innere Stärke.»
Jure Ljubic über die Telefonseelsorge: «Nach einer kurzen Begrüssungsformel haben sich die Menschen zum Teil geöffnet und ausführlich über ihre Existenzängste oder über ihre Sorge um kranke Verwandte oder Familienmitglieder geteilt.» Neben den Existenzängsten und die Sorge um Mitmenschen waren vor allem auch die Einsamkeit und die Ungewissheit des weiteren Verlaufs der Pandemie ein grosses Thema.
Kirche ist lebendig
Jure Ljubic hat in dieser speziellen Zeit mehr als sonst die menschliche Sehnsucht nach Geborgenheit, Liebe und Freiheit wahrgenommen. «Wir haben füreinander gebetet, einander per E-Mail oder Telefon unterstützt und dadurch gezeigt, dass wir als Kirche gemeinsam auf dem Lebens- und Glaubensweg sind.» Dadurch sei ihm sehr bewusst geworden: «Kirche kann gar nie gestoppt werden, auch nicht in so genannten ‹Coronazeiten›». Kirche sei lebendig und sie lebe aus der Liebe Gottes zu den Menschen.