An der Weltsynode sollen die Synodalen vor allem eines: Einander zuhören. Dieses etwas ausgeleierte Motto gewinnt im Kontext des interreligiösen Dialogs nach dem 7. Oktober neue Aktualität.
Liebe Leserin, lieber Leser
Nun hören sie einander wieder zu, dort unten an den runden Tischen in Rom: Am 2. Oktober ist die Weltsynode in die zweite und letzte Runde gestartet.
Synode für Anfäger:innen…
Kurz und knapp erklärt Chefredaktorin Annalena Müller in drei Videos, worum es da geht, was von diesen Gesprächen zu erwarten ist und was nicht. Synode für Anfänger:innen eben.
… und Fortgeschrittene
Fortgeschrittene in Sachen Synode horchten diese Woche erstaunt auf. Wer der Rede von Kardinal Victor Manuel Fernandez, Vorsitzender des Dikasteriums für die Glaubenslehre, genau zugehört hat, stellte grosse Abweichungen zur schriftlichen Version fest. Letztere erteilt dem Frauendiakonat eine klare Absage, während die mündliche Version, die der Kardinal den Synodalen vortrug, diese Frage zumindest etwas offen lässt.
Die Synodalen liessen sich von dem Verwirrspiel nicht aus der Bahn werfen. Und verlangten Rechenschaft. Und tatsächlich – Mitte Oktober werden die hohen Herren aus den Dikasterien (sozusagen den vatikanischen Ministerien) der Synode Rede und Antwort stehen.
Die Schweizer Synodale Helena Jeppesen sieht darin ein Zeichen für den beginnenden Kulturwandel: Die zuständige Kommission wollte dem Frauendiakonat bereits eine Absage erteilen, doch nach dem Protest der Synodalen muss sie sich zuerst deren Fragen dazu anhören.
Des Zuhörens überdrüssig
Exakt vier Jahre dauert dieser synodale Prozess nun schon. Im Bistum Basel begann er mit einer Umfrage unter dem Motto «Wir sind ganz Ohr». Erinnern Sie sich? Seither wurde an vielen runden und eckigen Tischen geredet und einander zugehört.
Angesichts der ausbleibenden strukturellen Veränderungen in der katholischen Kirche bin ich dieses Zuhörens ziemlich überdrüssig. Und dennoch hat das Zuhören für mich diese Woche neue Aktualität gewonnen.
Dialog nur ohne Tabus
Exakt ein Jahr ist vergangen seit den Anschlägen der Hamas auf feiernde Festivalbesuchende und Bewohner:innen von Kibuzzen. Anlass für die Uni Luzern, über die Zukunft des interreligiösen Dialogs nachzudenken. Dieser habe nur Zukunft, wenn Tabus nicht beiseitegeschoben, sondern benannt werden, sagt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, auf dem Podium.
Ähnlich äusserte sich sein Gesprächspartner Amir Dziri, Direktor des Zentrums für Islam und Gesellschaft an der Universität Freiburg: Die Lähmung, die er seit dem 7. Oktober wahrnimmt, könne nur in der direkten Begegnung zwischen jüdischen und muslimischen Menschen überwunden werden: «In den Austausch gehen, zuhören und gelten lassen.»
Die leisen Töne hören
Voilà, also wieder einander zuhören. In Anbetracht der erneuten Eskalation des Konflikts dieser Tage orientiert sich Dahlia Schipper, Co-Präsidentin der jüdischen Gemeinde Bern, an den leisen, aber offenen Dialogfenstern und nicht an den lauten, verhärteten Fronten. «Wir sollten unsere Ohren für die leisen Töne schärfen, weil es der Welt und uns selbst besser tut», sagt sie im Interview.
Wie wichtig das Zuhören zum Überbrücken verhärteter Fronten ist, wissen auch Jasmin El Sonbati und Christian Rutishauser. Die beiden kennen den Nahen Osten sehr gut und sehen aktuell wenig Chancen auf Frieden.
Üben wir uns also darin, die Ohren zu schärfen. Als Übungsfeld bietet sich die Woche der Religionen an, die Anfang November auch in Bern zu zahlreichen Begegnungen einlädt.
Ich wünsche Ihnen scharfe Ohren auch für Zwischentöne. Lassen Sie von sich hören, was Sie dabei erleben.
Herzlich
Sylvia Stam, «pfarrblatt»-Redaktorin