Illustration von Wilhelm Busch aus «Der heilige Antonius von Padua – Letzte Versuchung».

Die Religionen und der Humor

11.02.2015

Wer sich öffentlich über Religion lustig macht, muss um sein Leben fürchten. Drastisch scheinen die verstörenden Vorgänge in den vergangenen Wochen zu belegen, dass Religion und Humor nicht zusammenpassen. Ist das wirklich so?


«Mal Komödie, mal Tragödie, auf jeden Fall Theater.» So schätzt der 1937 in Zürich geborene Schriftsteller und ehemalige Dominikanermönch Hans Conrad Zander die Religionen ein. Seine Maxime: Dem kritischen Denken darf – auch in Sachen Religion – ruhig etwas Spott beigemengt sein. Als er zum Jahresanfang in der Sendung «Sternstunde Religion» des Schweizer Fernsehens vom Moderator Norbert Bischofberger zum Thema «Religion, abgrundtief humorvoll» befragt wurde, konnte noch niemand ahnen, wie brutal aktuell diese Fragen und Antworten bereits einige Tage später sein würden.

Der hinduistische Gott Ganesha lacht, der alttestamentliche Moses nicht. Auch von Jesus sind keine biblischen Lacher bekannt, vom lachenden Mohammed wird hingegen 50 Mal berichtet. Daraus eine Rangliste abzuleiten oder einen Vergleich zu erstellen, wäre jedoch unergiebig und sinnlos. Den spezifisch christlichen Humor gibt es nämlich ebenso wenig wie den islamischen. Tendenzen lassen sich gleichwohl feststellen: Das Judentum pflegt einen stärker selbstironischen Humor als andere Religionen, der Zen-Buddhismus die Note des Absurden. Der Islam ist bestrebt, das Lachen in die rechten Bahnen zu leiten. In manchen Religionen wird mehr, in anderen wird weniger gelacht. Religionstypische Varianten von Humor sind jedoch nicht auszumachen. Wichtig scheint nur, dass gelacht werden darf.

Konzentrieren wir uns ein wenig auf das Christentum: Hat Jesus je gelacht? Das scheint uns heute eine lächerliche Frage zu sein; im Mittelalter wurde sie jedoch allen Ernstes eingehend disputiert. In gehässigem Tonfall hauten sich die Gelehrten Argumente pro und kontra um die Ohren. Literarisch dargestellt ist dieses Phänomen im Mittelalter-Krimi «Der Name der Rose», in dem die Hauptperson, der Franziskaner William von Baskerville, im Scriptorium des Klosters mit dem Vorsteher der Bibliothek, dem greisen Jorge von Burgos, in ein heftiges Wortgefecht gerät, ob Jesus laut der Bibel tatsächlich einmal gelacht habe oder nicht. Jorge besteht darauf, dass in der Bibel in keiner Schriftstelle berichtet werde, dass Jesus je gelacht habe; worauf William kontert, dass er sich einen humorlosen Jesus ganz einfach nicht vorstellen könne und dass zahlreiche Heilige mit viel Humor die christliche Botschaft gelebt hätten, nicht zuletzt der Gründungsvater seines Ordens. Diese sonderbare Diskussion findet im Buch von Umberto Eco keinen Sieger. Ich kann mir jedoch, genau wie William von Baskerville, auch keinen humorlosen Jesus vorstellen. Wie oft wird doch von ihm berichtet, dass er sich in geselliger Art und Weise unter die Menschen gemischt habe, sei es bei einem Essen, bei einer Hochzeit oder in angeregten Gesprächen.
Anders als zum Beispiel Buddha, der zwar oft lächelnd dargestellt wird, jedoch als Lehre eine klare Linie der Askese vertritt, ist Jesus der einzige Religionsstifter, der sich offenkundig auch dem typisch Menschlichen nicht vollständig entzogen hat. Für den Schriftsteller Hans Conrad Zander ist der Jesus des Neuen Testaments ein «gewitzter und schlagfertiger Provokateur», wie er es – belegt durch zahlreiche Bibelstellen – in seinem Buch «Darf man über Religion lachen?» aus dem Jahr 2005 herausarbeitet. So kann Humor helfen, die Gefahren einer verabsolutierten Religion abzuwehren.

Humor und Religion ist jedoch nicht selten eine recht brisante Angelegenheit – und das nicht nur in jüngster Zeit und bei Karikaturen. Ja, ganz grundsätzlich scheinen Religionen und deren Ausübung eine eher humorlose Praxis zu sein. Das muss jedoch nicht so sein: Vor allem das Judentum ist dafür bekannt, dass Witz und eine Portion Zynismus nie schaden können. Beinahe unergründlich ist darum der Schatz an jüdischen Witzen, die man sich unter Juden gerne gegenseitig erzählt. Humorvoll sein hilft, wenn es um Religionen geht, davon ist der in Berlin lebende Religionswissenschaftler Harald-Alexander Korp überzeugt. Er hat den Umgang von Religionen mit Humor eingehend untersucht und resümiert dazu: «Dem Lachenden ist nichts heilig, das ist genau der Satz, der in die Religionen passt, heilig, das ist häufig erstarrte Konvention, da ist nichts mehr im Fluss, das ist für mich ein Widerspruch zum Erleben des Göttlichen, des Unendlichen.»
Oft hat der Humor die Funktion eines Gradmessers innerhalb einer religiösen Gemeinschaft, indem er liberale und fundamentalistische Kräfte zum Vorschein bringen kann. Religion ohne Humor kann gefährlich werden, das haben nicht zuletzt die Ereignisse rund um die Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» schmerzhaft aufgezeigt. Humor kann eine heilsame Wirkung zeigen. Es ist kein Zufall, dass es so viele Witze über religiöse Würdenträger gibt. Mit ihnen gewinnen die Beharrungskräfte einer Religion menschliche Gestalt. Humor arbeitet sich an ihnen auf eine Weise ab, die vehemente Kritik nie erreichen könnte: Er nötigt zum Hinterfragen innerhalb des religiösen Systems. So kann Humor helfen, die Gefahren einer verabsolutierten Religion abzuwehren. Der Religion tut Satire gut, sie braucht Witz und bedarf des Humors. Humor und Satire sind jedoch von kalkulierter Provokation zu unterscheiden.
So wusste Wilhelm Busch, der berühmte humoristische Dichter und Zeichner, über die Stärken und Schwächen des Protestantismus Bescheid. Seine köstlichen satirischen Geschichten und Cartoons nehmen diese kräftig auf die Schaufel. Aber die Tatsache, dass sich der Vater des modernen Cartoons von Bismarck für seinen Kulturkampf gegen den Katholizismus einspannen liess, hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Humor kann heilsam und erfrischend wirken; sobald er jedoch instrumentalisiert wird, wird er selbst zu einer Art Humorlosigkeit, die nicht selten Schaden anrichten kann.

Reto Stampfli, Dr. phil., Chefredaktor «Kirchenblatt» für röm.-kath. Pfarreien Kanton Solothurn