Der Tod hat nicht das letzte Wort. Auch nicht für die sterbende Volkskirche, sagt der Benediktiner Nikodemus Schnabel. Bild: Sylvia Stam
Die Volkskirche soll in Würde sterben
Die Volkskirche müsse sich mit dem eigenen Sterbeprozess auseinandersetzen. Wie sie über den Tod hinaus ein Zeichen setzen könnte.
Wie die Volkskirche über den eigenen Tod hinaus ein sichtbares Zeichen setzen könnte, sagt der Benediktiner Nikodemus Schnabel in seinem Kommentar. Was er für Deutschland sagt, gilt wohl ebenso für die Schweiz.
von Nikodemus Schnabel*
Die römisch-katholische Kirche als Volkskirche stirbt in Deutschland. Diese jetzt nicht wirklich überraschende oder neue Beobachtung wird sehr greifbar im Interview des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, welches er dem Weser-Kurier am 23. September gegeben hat und welches mit einem Zitat von Bätzing titelt: «Wir werden vor der Frage stehen, Kirchen abzureissen».
Es wird höchste Zeit, dass die Kirche, die sich schon seit langem mit der Frage des menschlichen Sterbens und des Wie dieses Sterbens intensiv auseinandersetzt, und zwar sowohl auf wissenschaftlich theologisch-ethischer Ebene als auch ganz praktisch durch palliative Angebote, durch Hospizarbeit und durch Seelsorge am Lebensende, sich nun auch der Herausforderung ihres eigenen Sterbens als Volkskirche stellt.
Wie beim menschlichen Sterben scheinen auch hier die Versuchungen gross zu sein, diesen Prozess entweder zu verdrängen und zu verleugnen oder ihn durch einen ungeheuren intensivmedizinischen Höchstaufwand so weit nach hinten zu verschieben, wie nur irgendwie möglich, oder ihn sogar aktiv radikal abzukürzen und selbst den Tod zu suchen. Die sterbende Volkskirche zeigt hier ein sehr menschliches Gesicht. Letztlich geht es aktuell darum, dass die sterbende Volkskirche in Deutschland für sich selbst das ernst nimmt, was sie dem Menschen auf ihrem individuellen letzten Lebensabschnitt mit auf den Weg gibt: Der Tod hat nicht das letzte Wort.
Das Ende der Volkskirche, wie sie Deutschland die letzten Jahrzehnte geprägt hat, bedeutet nicht das Ende von Kirche an sich. Wie diese Kirche sein wird, ist jetzt noch nicht absehbar, sie wird wohl ziemlich sicher postmigrantisch, vielsprachig und materiell ärmer sein, vermutlich theologisch und pastoral aber höchst produktiv und kreativ, da der ständige ökumenische, interreligiöse und interkulturelle Austausch sie zu einer neuen Sprachfähigkeit antreiben wird. Die Kirche als Volkskirche sollte jetzt aber den Mut haben in Würde zu sterben, jetzt wo sie noch handlungsfähig ist. Was soll von ihr in Zukunft bleiben?
Wie wäre es, wenn sie sich darum bemühen würde, dass ihre nicht mehr zu haltenden Kirchengebäude möglichst zu Friedhöfen umgewandelt würden? Sterben und Tod geschehen in Deutschland im Verborgenen. Durch diesen Schritt würde die Kirche den Tod sichtbar und prominent in die Mitte der Städte und Orte rücken – und die Hoffnung, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Es wäre ein starkes Zeugnis, wenn dies als letztes Testament der Volkskirche zurückbliebe, quasi als eine über den Tod hinausgehende Verkündigung der Steine gemäss Lk 19,40.
*Nikodemus Schnabel ist Benediktinermönch der Dormitio-Abtei in Jerusalem und Direktor des Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft.