Im Dune-Universum wird an Menschen experimentiert. Foto: Attila Szvacsek/HBO, © 2024 Warner Bros. Discovery
«Dune»: Das Erwachen der Klosterfrauen
Mysteriöse Nonnen stehen im Mittelpunkt der neuen «Dune»-Serie. Eine Space-Saga, fast ausschliesslich mit starken Frauen, wäre vor zwanzig Jahren kaum vorstellbar gewesen.
Sarah Stutte
Eine geheimnisvolle Weltraum-Schwesternschaft, der Kampf um eine psychedelische Droge, alles verschlingende Riesenwürmer und prophetische Wiedergeborene: Willkommen im Universum von «Dune». Diesmal nicht als imposante Kinoproduktion, sondern in einer intimeren Form als Serie für den Streaming-Abend. Die erste Staffel von «Dune: Prophecy», bestehend aus sechs einstündigen Episoden, verspricht nicht weniger Faszination. Die vom amerikanischen Bezahlsender HBO produzierte Serie erzählt die Vorgeschichte zu Denis Villeneuves erfolgreichen Verfilmungen – basierend auf der visionären Science-Fiction-Reihe des Autors Frank Herbert (1920–1986).
Ein Universum so komplex wie die Welt
Zentraler Schauplatz im «Dune»-Universum ist der Wüstenplanet Arrakis, auf dem ein einzigartiges Gewürz gewonnen wird. Dieses «Spice» verlängert das Leben, steigert die geistigen Fähigkeiten und spielt eine entscheidende Rolle in der interstellaren Raumfahrt.
Das Dune-Universum wird von einem Kaiser regiert, der die Herrscher der Planeten einsetzt. Diese gehören einflussreichen Adelshäusern an, die erbittert um die Kontrolle über das «Spice» kämpfen. Eine der mächtigsten Organisationen sind die Bene Gesserit. Diese rein weibliche, religiös strukturierte Gemeinschaft wird von einer Mutter Oberin geführt. Trotz ihres nonnenähnlichen Status gelten die Bene Gesserit bei manchen als Hexen. Dank strenger Konditionierung und des Konsums von «Spice» verfügen die Frauen über übernatürliche Kräfte. Sie ziehen die Fäden im Hintergrund des Universums und beeinflussen die Entscheidungen der Mächtigen.
Aus dem Schatten ins Zentrum: Die Nonnen von «Dune»
Während die «Bene Gesserit» in Frank Herberts Büchern und den Filmadaptionen eher eine mystische Nebenrolle spielen, rücken sie in der Serie ins Zentrum. Basierend auf den Romanen von Herberts Sohn Brian schildert die Serie die Ursprünge dieses geheimnisvollen Frauenordens – 10’000 Jahre vor den Ereignissen der Filme.
Damit nimmt die Handlung der Serie den Filmen allerdings etwas von genau dieser Mystik, die diese Figuren dort so interessant macht. Woher die Bene Gesserit kommen, was für Machtansprüche die weibliche Gemeinschaft selbst hegt – all das wird in den Filmen nur angedeutet.
Kampf um Macht und den Messias
Die Frauen leben auf dem Planeten Wallach IX in einer Art Kloster. Im klostereigenen Internat züchten die Weltraum-Nonnen die nächste Generation an Seherinnen heran. Gleichzeitig experimentieren einige von ihnen im Kellerlabor an genetischen Kreuzungen, um langfristig einen Erlöser – einen neuen Messias – zu erschaffen, der die Menschheit retten soll. Doch innerhalb des Ordens gibt es Grabenkämpfe: Während Mutter Oberin Raquella und ihre Anhängerinnen die Blutlinien der Adelshäuser kontrollieren wollen, lehnt eine andere Gruppe die Experimente ab, da sie nicht Gott spielen möchte.
Die Spannungen eskalieren, als die Gründerin des Ordens auf dem Sterbebett liegt. Sie warnt vor einer nahenden Gefahr und bestimmt ihre Lieblingsschülerin Valya Harkonnen zu ihrer Nachfolgerin. Um ihren Machtanspruch zu sichern, schaltet Valya eine Rivalin aus – dabei setzt sie erstmals «die Stimme» ein, eine Fähigkeit, mit der die Bene Gesserit den Willen anderer kontrollieren können.
Unterstützt von ihrer Schwester Tula wird Valya die nächste Oberin des Ordens. Doch ihre Macht bleibt unsicher: Ein mysteriöser Fremder bedroht den Einfluss der Bene Gesserit, und auch innerhalb des Ordens brodelt es.
Viele Frauen, viel Ambivalenz
Die Serie zeichnet die beiden Schwestern Valya und Tula ambivalent. Valya nutzt ihre Macht zwar selten, aber wenn, dann auch zum Guten. In Rückblenden wird gezeigt, wie sie als Kind ihren Bruder mit der Stimme vor dem Ertrinken rettet. Sie ist ehrgeizig, aber auch loyal und empathisch. Ihre Schwester Tula scheint zunächst besonnener, verbirgt jedoch dunkle Geheimnisse, die erst allmählich ans Licht kommen.
Die Darstellungen von Emily Watson und Olivia Williams als komplexe, gerissene Klosterführerinnen sind uneingeschränkt sehenswert. Überhaupt beeindruckt die weibliche Dominanz in dieser visuell überwältigenden Serie – von den Entwicklerinnen Alison Schapker und Diane Ademu-John bis hin zu den Haupt- und Nebenrollen.
Die Kritik am Patriarchat ist vorhanden, aber subtil. Sie manifestiert sich in Männern wie dem entscheidungsschwachen Kaiser oder dem leicht beeinflussbaren Baron Harkonnen, die ihre Schwächen mit Machtstreben kompensieren. Gleichzeitig zeigt das interne Zerwürfnis der Bene Gesserit, wie gefährlich auch eine rein weibliche Machtdynamik sein kann.
Eine so stylische, bildgewaltige Space-Serie, die fast ausschliesslich von Frauen getragen wird, wäre vor zwanzig Jahren undenkbar gewesen. Sie profitiert vom späten Erfolg der «Dune»-Reihe, aber auch vom gesellschaftlichen Wandel. Das zeigt, dass selbst in einem traditionell männlich dominierten Genre wie dem Science-Fiction Veränderungen möglich sind – und gibt Hoffnung für Transformationen in anderen Bereichen auf der Erde.
Alle Folgen der ersten Staffel von «Dune: Prophecy» sind auf Sky Schweiz zu sehen. Eine zweite Staffel ist bereits bestätigt.