«Die kirchliche Lehre hinkt hinterher». Arnd Bünker. zVg

Ehe für alle

25.02.2015

Auch Homosexuelle sollen eine Ehe eingehen können. Das will eine parlamentarische Initiative «Ehe für alle» der Grünen in Bern. Die Rechtskommission des Nationalrats hat dem letzte Woche zugestimmt. Ist auch die Ständeratskommission einverstanden, ist der Schritt zum entsprechenden Gesetz nicht weit. Das würde sich auf die katholische Kirche auswirken, ist Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI) in St. Gallen, überzeugt.

«pfarrblatt»: Wie schätzen Sie den Kommissionsentscheid zugunsten einer Homo-Ehe ein?
Arnd Bünker: Er passt in den allgemeinen Trend. Die Ehe- und Familienrealitäten werden immer wieder neu aufgefasst. Ob ein solches Gesetz schliesslich durchkommt, weiss ich allerdings nicht.

Wie steht die katholische Kirche zu dieser Frage?
Diese Frage polarisiert in der Kirche. Die Mehrzahl der Kirchenmitglieder ist gegenüber Homosexuellen tolerant. Die kirchliche Lehre versucht hingegen, die heterosexuelle Ehe mit einem Sonderstatus abzugrenzen.

Würde sich eine gesetzlich erlaubte Homo-Ehe auf die Kirche auswirken?
Ja, denn die Kirche hat mit der Realität zu tun. Die Familiensynode in Rom hat gezeigt: Die Art, wie Länder mit Homosexuellen umgehen, spiegelt sich in der jeweiligen Kirche. In Ländern, in denen Homosexualität verboten ist, ist die Reserve der Kirche gegenüber Homosexuellen grösser als anderswo. Dies gilt beispielsweise für gewisse Länder in Afrika oder für Russland. Wo die Gesetzgebung offen gegenüber Homosexuellen ist, handelt auch die Kirche tendenziell offener.

Und in der Schweiz?
Ändert sich der gesetzliche Rahmen, so ändert sich auch das Verhalten der Menschen. Und damit muss die Kirche umgehen können. Die Seelsorge hat ja mit den heutigen Menschen und mit ihren gelebten Beziehungen zu tun.

Und die kirchliche Lehre?
Die Lehre mit ihren normativen Vorgaben für die Seelsorge wird sich wohl kaum ändern. Jedenfalls rechne ich nicht damit. In der Schweiz wird sich dann allerdings die Distanz zwischen gelebter Realität und kirchlichen Normen noch weiter vergrössern. Die kirchliche Lehre hinkt hier hinterher, sie hat noch keine Antwort auf die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Wird eine zivilrechtliche Homo-Ehe den Konflikt um den Umgang mit Homosexuellen in der katholischen Kirche zuspitzen?
… mehr als jetzt schon? (lacht) Der aktuelle Konflikt um den Pfarrer von Bürglen ist künstlich aufgebauscht. Ähnliche Situationen wie in Bürglen tauchen immer wieder auf in der Kirche und haben nie zu solchen Problemen geführt. Das zeigt, dass die Seelsorger verantwortungsvoll damit umgehen. Im Fall Bürglen frage ich mich: Wer ist interessiert an diesem Konflikt? Wird hier experimentiert, wie belastbar unser duales Kirchensystem ist?

Interview: Regula Pfeifer, kath.ch