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Ein Befreiungsschlag
Was ist mit Jesus zwischen Karfreitag und Ostersonntag passiert? Pfarrblatt-Leser Sandro Fischli erzählt hier aus dem Nikodemus-Evangelium, einer Schrift aus den Apokryphen.
Sandro Fischli
Joseph von Arimathäa berichtet vor der (noch) jüdischen Gemeinde, mit Ratsmitgliedern, als erster von der Auferstehung Christi, hebt jedoch gleich das ebenso grosse Wunder hervor, dass mit ihm viele Weitere (verstorbene Juden) auferstanden seien, die sich in Jerusalem gezeigt hätten. Er nannte die beiden Söhne Simeons (der Jesu als Kleinkind im Tempel in die Arme schloss, in ihm den Messias erkannte), die vor kurzem beerdigt worden waren. Man ging hin und fand deren Gräber offen und leer, suchte die Genannten, fand sie und liess sie unter Eid das Geschehen im Totenreich als Augenzeugen niederschreiben (Dies der kurze Rahmentext):
«Wir weilten in der Unterwelt (kein Ort der Sühne, Strafe), zusammen mit allen von Anfang der Welt an Verstorbenen (gerechte Juden – alle anderen sind nicht erwähnt). Um Mitternacht drang ein Lichtschein in die Dunkelheit und wir sahen einander (erstmals). Abraham, die Patriarchen und Propheten sprachen, das stamme von einem grossen Licht, und Jesaja bestätigte es als von Gott gesandt. Auch Johannes der Täufer trat vor und lehrte wie zu Lebzeiten die Umkehr und Busse. Und der Erstgeschaffene, Adam, hörte es, sein Sohn Seth erzählte von der Krankheit seines Vaters, die nicht geheilt werden konnte, an der er dann starb, wie ein Engel aber Heilung nach 5500 Jahren durch Gottes Sohn verhiess. (Und dieser Zeitpunkt ist nun gekommen).
Alle freuten sich, ausser Satan (der wie ein Besucher von ausserhalb, ein Wanderer zwischen den Welten dazustösst), er warnte Hades (er, nicht Satan, ist der Herr des Totenreichs) eindringlich vor dem Eintreffen Jesu, dessen Tod er, Satan, bewirkt habe, Hades müsse bereit sein, ihn einzusperren, der sei fähig, Tote aufzuerwecken. Hades bestätigte, dass ihm vor kurzem ein Verstorbener mit Namen Lazarus entrissen worden sei, wahrscheinlich eben von diesem Jesus. Seinerseits warnte er nun Satan, am besten bringe er Jesus gar nicht her, sonst werde hier kein einziger Toter mehr übrigbleiben.
Da ertönte auch schon eine laute Stimme, die Einlass begehrte für den König der Herrlichkeit. Hades befahl Satan, ihm entgegenzutreten, und seinen Dienern, die Tore zu verrammeln und alle Schlüssel in Gewahrsam zu nehmen. Die Stimme ertönte ein zweites Mal, das Tor wurde zerschlagen, die Fesseln der Toten wurden gelöst (sie schienen doch gefesselt zu sein, Fluchtgefahr schien immer zu bestehen), wir mit ihnen, die Schlüssel weggeworfen (mit dem zerschlagenen Tor auf dem Bild zu sehen).
Hades schrie: ‘Wir wurden besiegt, wehe uns! Bist du Jesus, von dem der Obersatrap (Tyrann) Satan uns erzählte, der durch Kreuz und Tod die ganze Welt erben werde?’ Der König der Herrlichkeit ergriff Satan und befahl den Engeln, ihn zu fesseln, danach übergab er ihn dem Hades mit dem Auftrag, ihn bis zu seiner zweiten Ankunft festzuhalten.
Hades nahm Satan in Empfang und sprach zu ihm: ‘Was zwang dich, diesen Kreuzestod zu verursachen, so dass er hierher kam und das Totenreich entmachtete, kein einziger ist hier zurückgeblieben! Indem du den König der Herrlichkeit töten wolltest, hast du dich selbst getötet. Was fandest du Böses an Jesus, dass du umhergingst, ihn zu verderben? Wie konntest du darauf aus sein, einen solchen Menschen hier herunter zu führen und dich und mich (Hades – hier vermischen sich die Rollen der beiden) durch ihn aller von Anbeginn an Verstorbenen berauben zu lassen? Du wirst nun erfahren, welche Peinigungen ich gegen dich durchführen werde.’ (Die Unterwelt wird hier erst in diesem Moment zu einem Ort der Strafe und zwar mit Satan selbst als erstem bzw. einzigem Verdammten bis zur Wiederkunft Christi!)
Während Hades so mit Satan sprach, nahm der König der Herrlichkeit Adam bei der Hand, wandte sich an alle übrigen und sprach: ‘Her zu mir alle, die durch das Holz, nach dem dieser griff (die Frucht vom Baume der Erkenntnis, die Erbsünde der Unterscheidung, der Dualität), sterben musstet, ich erwecke euch durch das Holz des Kreuzes (es gibt Legenden, die besagen, dass das Kreuz aus dem Holz jenes Baumes gezimmert worden sei).’ Darauf liess er sie alle hinaus.
(Es folgt noch eine kurze Erzählung über den Einzug Jesu ins Paradies, mit Adam an der Hand, eine Begegnung mit dem Patriarchen Enoch, dem Propheten Elias und dem Schächer Dismas)
Dies alles sahen und hörten wir und das hier auf Erden noch zu verkünden wurden wir vom Erzengel Michael beauftragt. Zuvor liessen wir uns im Jordan taufen, dann feierten wir in Jerusalem das Passahfest der Auferstehung ( biblische Geschichte im Zeitraffer!). Jetzt aber gehen wir wieder, da wir hier nicht verweilen können.»
Das schrieben sie, siegelten die Rollen, gaben eine den Hohepriestern, die andere dem Josephus (von Arimathäa) und dem Nikodemus. Und sofort waren sie verschwunden.
(Eine Anmerkung: Wie anders ist diese Geschichte als in Brueghels Bild, wo keine Befreiung von Glaubensvätern und keine Entmachtung Satans gezeigt wird. Eine anscheinend völlig geleerte Hölle mit Satan als einzigem Gefangenen und einem einsamen Hades als Bewacher, als sinnloser Herrscher… das sind starke Bilder. Es bleibt allerdings ein theologisches Rätsel, ob die Hölle danach wirklich leer bleibt, ist diese Geschichte gar ein Hinweis auf die Frage der «Allerlösung»?)