Eine Pause wert: Frank Bapst und Marcel Neuhaus (v.l.). Foto: Pia Neuenschwander
Ein Geheimtipp für Geniesser
Die katholische Gesamtkirchgemeinde Bern besitzt am Schwarzsee ein Ferienheim. Die Bedürfnisse und Ansprüche haben sich gewandelt. Eine Reportage.
Stehen die Besucher nach einem 10 Minuten dauernden, idyllischen Treppensteigen auf der Terrasse des Ferienheims St. Michael, vergessen sie auf einen Schlag alle Belastungen des Alltags. Die Aussicht ist schlicht grandios. Zu Füssen liegt der dunkle See, gegenüber geschwungene Waldrücken und bizarre Bergfelsen wie auf einem Gemälde von Caspar David Friedrich.
Frank Bapst und Marcel Neuhaus lachen. Diese Begeisterung erleben sie oft von Besuchern, die das erste Mal das Ferienheim der römisch-katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern erleben. Marcel Neuhaus, der Hauswart, teilt die Begeisterung: «Auch wenn man oft hier ist, putzt, Gruppen begrüsst, Bettsachen ausschüttelt – diese Aussicht verleidet nie, ist immer eine Pause wert.»
Frank Bapst, Werklehrer an der Sekundarschule Plaffeien, präsidiert die Betriebskommission des Hauses, das bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Schwarzsee-Bad) erreichbar ist. Er zeigt stolz auf den neu gestalteten Grillplatz vor dem Haus: «Das dafür nötige Material wurde mit einem Helikopter transportiert. In den Anfängen des Hauses schleppten Freiwillige in unzähligen Stunden Balken, Steine, Bretter zu Fuss hoch.» In den Nachkriegsjahren 1947–1948 baute eine katholische Aktionsgruppe aus Bern im Schwarzsee-Bad das Haus als Ferienheim für kinderreiche Familien und Jugendgruppen.
Gut dreissig Jahre später erfolgten diverse Umbauten und Erweiterungen. «2016 nun haben wir die Fenster ersetzt, die Küche erneuert und den Internetzugang eingerichtet.» 1973 übernahm die katholische Gesamtkirchgemeinde Bern das Haus und die Umgebung über einen Schenkungsvertrag.
St. Michael bietet 45 Personen Platz, 20 Liegeplätze sind Massenlager, der Rest sind Zimmer mit vier und sieben Betten. Es ist ideal für Familienferien, Schullager, Jugendgruppen, Klausuren von Räten. Die Belegung durch Gruppen aus Bern ist zurückgegangen.
Viele, die Jahr für Jahr ihre Retraiten im Haus hatten, sind älter geworden. Es fehlt eine Zufahrt. Verschiedene Planungen und Verhandlungen für die Strasse scheiterten an Nachbarn oder an der Finanzierung. Alles Material muss deshalb über die Treppe ins Haus getragen werden. «Das hat doch einige abgehalten, weiterhin zu buchen», sagt Frank Bapst.
Ein kleiner Transportlift zum Haus würde Abhilfe schaffen, bleibt aber vorläufig ein Traum. Für Wandergruppen oder Familienfeste prüft die Betriebskommission das Bereitstellen des Frühstücks oder eines Nachtessens. «Wenn eine Gruppe auf einer Wanderung hier Zwischenhalt macht, kann es sinnvoll sein, ein Nachtessen vorzubereiten, damit die Gruppe nicht auch noch die Einkäufe organisieren muss», sagt Marcel Neuhaus.
«Die Bedürfnisse haben sich gewandelt», bestätigt Frank Bapst, «darauf zu reagieren ist nicht immer einfach, aber richtig.» In den ersten Jahrzehnten gehörte auch ein Bootshaus mit Ruderboot zum Ferienheim St. Michael. Das Bootshaus stürzte 1976 ein. Kanufahrten, Rodel- bahn, Monstertrottinett – der Schwarzsee-Tourismus bietet vielfältigen Ersatz. Im Winter ist der gefrorene See ein Eldorado für Schlittschuhbegeisterte, für «Schlööfler», wie die Berner im Schwarzsee sagen. Trotz fehlendem Skilift im Bad – auch Winterferientage in St. Michael lassen keine Wünsche offen. Der Bus fährt stündlich vor dem Haus ins Skigebiet Kaiseregg, Winterwanderwege führen durch die prächtige Landschaft.
Die Skier brauchen nicht ins Haus hinaufgeschleppt zu werden. Dafür steht eine Garage bereit. St. Michael im Schwarzsee ist ein Geheimtipp. Denn wenn die Tagesbesucher nach Hause reisen, bleibt eine friedvolle Atmosphäre zurück, die man nicht so schnell vergessen wird.
Jürg Meienberg
Der Mann im Hintergrund
Edgar Grimbühler (*1927), der für Reservationen, Buchhaltung und Statistiken zuständig ist, setzt sich seit bald 45 Jahren ununterbrochen für das Ferienheim St. Michael in verschiedenen Funktionen ein. Ferien hat er im Haus nie selber verbracht. Wenn er im Schwarzsee war, hat er geputzt, Wolldecken geschüttelt, Reparaturen ausgeführt, Umbauten koordiniert und tatkräftig geholfen, dass das Hangwasser nicht mehr ins Haus drang. Unvergessen die Zeiten, in denen die Klärgrube regelmässig geleert werden musste. Ende 2018 gibt er altershalber sein Amt endgültig ab. Der Bümplizer Banker, Katholik und Kirchenchorsänger setzt sich trotz körperlichen Beschwerden hellwach weiterhin für St. Michael ein. Das Wegrecht für die Transportbahn hat er jedenfalls schon erkundet.