Ein Kapuziner und ein Jesuit kommen in den Himmel...

25.02.2015

Es gibt zweifellos Muslime, die sich mit Humor, Satire und Karikaturen im Zusammenhang mit ihrer Religion schwertun. Wie aber ist das grundsätzliche Verhältnis zwischen christlicher Gesinnung, Spott und Humor? Am Beispiel der Jesuiten, die im 18. und 19. Jahrhundert beissendem Spott und Aggressionen ausgesetzt waren, wollen wir dieser Frage nachgehen.


Im Januar dieses Jahres haben in Paris Muslime mehrere Satirezeichner umgebracht, weil diese, so die Mörder, Allah und den Propheten beleidigt hätten. So kommt die Frage auf, wie denn Christen reagieren, wenn das, was ihnen in der Religion heilig ist, ihrer Meinung nach verspottet, verunglimpft oder beschädigt worden ist. Wir können auch nach dem grundsätzlichen Verhältnis zwischen christlicher Gesinnung, Spott und Humor fragen. Selbst wenn die Fasnacht, in welcher die Zusammenhänge zwischen Humor und Religion in unseren Gegenden besonders auffällig zutage treten, bereits vorbei ist, lohnt es sich, diesen Fragen wieder einmal nachzugehen.
Die Beziehungen zwischen Humor, Spott und christlicher Gesinnung waren im Laufe der Jahrhunderte nicht frei von Verkrampfungen und Irritationen. Sie seien im Folgenden am Beispiel der Jesuiten etwas ausgeführt.

Verspottete Jesuiten
Vor allem im 18. und 19. Jahrhundert richteten sich Spott und Aggressionen der aufgeklärten Geisteswelt auf die Männer dieses katholischen Ordens. Dabei ist deutlich festzuhalten, dass die Jesuiten im Katholizismus niemals dieselbe Bedeutung einnahmen wie Allah oder der Prophet im Islam. Ähnlich ist nur, dass sich auch etliche (wenngleich nicht alle) sogenannt einfache Katholiken in ihrem religiösen Empfinden gekränkt fühlten, wenn Jesuiten beleidigt wurden.

Achtung: Sie kommen
Nicht wenige Aufklärer schilderten die Jesuiten als machthungrige Finsterlinge, welche im Geheimen Intrigen schmiedeten, um nationale oder reformatorische Vorhaben zu torpedieren. In dieser Tradition stehen auch die folgenden Sätze des Zürcher Dichters Gottfried Keller: «Von Kreuz und Fahne angeführt, den Giftsack hinten aufgeschnürt, (…) : Sie kommen, die Jesuiten!» In seinem Gedicht «Jesuitenzug», das er 1843, wenige Jahre vor dem Sonderbunds- Krieg verfasste, sah Keller in diesen katholischen Ordensleuten hinterlistige Gestalten, welche die Schweiz für eine von Rom und dem Papst angeführte, antiliberale Allianz unterwerfen wollten. «O gutes Land, du schöne Braut», so beklagte Keller die Schweiz: «Du wirst dem Teufel angetraut! Ja, weine nur, du armes Kind! Vom Gotthard weht ein schlimmer Wind: Sie kommen, die Jesuiten!»
Die Karikatur «Schöne Seelen treffen sich» von 1848 zeugt davon, dass das Bild, das Keller in der Schweiz heraufbeschwor, zur selben Zeit auch in anderen europäischen Ländern gepflegt wurde. Der damalige Generalobere des Jesuitenordens, P. Joannes Philippus Roothaan, wird als gleichzeitig teuflische und kriecherische Kreatur dämonisiert, welche sich mit Exponenten der politische Restauration verbündet.

Beleidigungen erdulden
Die Jesuiten trösteten sich damit, dass es Jesus Christus, dem sie nachfolgen und dessen Leben sie fortsetzen wollten, nicht anders ergangen war. Auch er wurde verspottet und niedergemacht. Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, war der Auffassung, dass derjenige, der Jesus nachfolgt, unweigerlich verhöhnt wird. Er hat Übungen, die sogenannten Grossen Exerzitien, ausgearbeitet, mit welchen Menschen sich prüfen sollen, ob sie für diesen Weg geeignet sind. Der durchschnittliche Jesuit macht diese Übungen in seinem Leben zweimal, und auch Laien können sich ihnen heute aussetzen. An einer zentralen Stelle disponieren sich Menschen, die solche Exerzitien machen, dazu, um Jesu willen «Schmähungen und Beleidigungen zu erdulden » (Exerzitienbuch 147), damit sie Jesus auf diese Weise näherkommen.

Über sich selber lachen
Wer auf diesem Exerzitienweg unterwegs ist, sollte nicht nur lernen, selbst ungerechtfertigte Kränkungen leichter anzunehmen, weil auch Je sus sie durchgetragen hat, sondern auch lernen, Selbstkritik zu üben, weil selbst im Spott des Anderen eine Wahrheit stecken kann. Ohnehin ist eine der leuchtendsten Errungenschaften des Christentums seine Fähigkeit zur Selbstbesinnung und zur Selbstkritik. Unter Jesuiten kann sie dann so daherkommen:
Ein Kapuziner kommt zum Himmel, klopft an und wird unauffällig hineingelassen. Nach einiger Zeit bemerkt er eine aufgeregte Geschäftigkeit. Blumentöpfe werden herbeigerückt und ein roter Teppich ausgerollt. Er erkundigt sich, was das bedeute, und erfährt, man erwarte einen Jesuiten. Da fragt er bei Petrus, wieso man also bei einem Jesuiten so viel Aufhebens mache, während man seinen Eintritt kaum beachtet habe. Er erhält die Antwort: «Weisst du, Kapuziner treffen hier jede Woche ein, aber du ahnst nicht, wie lange es her ist, dass wir einen Jesuiten bei uns begrüssen konnten.»

Geistesschärfe
Weil sie als profilierte, geheimnisumwitterte Zeitgenossen galten, wurden sie manchmal auch in fremde Aktualitäten hineingezogen. Die zweite Karikatur beispielsweise zeigt, dass 1973 die Diskussionen über die Schaffung einer Bundespolizei mit dem Hinweis auf die Jesuiten, die eben gerade in der Schweiz wieder zugelassen worden waren, einen humoristischen, ja surrealen Touch erhielten.
Was schliesslich viele Aufklärer den Jesuiten negativ ankreideten, ihre Geistesschärfe, wurde ihnen in der Zeit des Nationalsozialismus positiv ausgelegt. Unvergessen sind etwa die Äusserungen des Jesuiten Mario von Galli. Auf einer Kanzel in Stuttgart beobachtete er damals, wie ein Spitzel mitschrieb. Da fragte er ihn: «Kommen Sie mit, oder soll ich mich wiederholen ». Als Reaktion auf diesen Auftritt erhielt er Predigtverbot. Da verlegte er sich aufs Beten. Er formulierte seine Predigtgedanken in Litanei-Bitten um und verfasste folgendes Gebet: «Lieber Herr und Gott! Setz dem Überfluss Grenzen und lass die Grenzen überflüssig werden. (…) Gib den Regierenden ein besseres Deutsch und den Deutschen eine bessere Regierung. Schenke uns und unseren Freunden mehr Wahrheit und der Wahrheit mehr Freunde. Bessere solche Beamten, wie wohl tätig, aber nicht wohltätig sind, und lass die, die rechtschaffen sind, auch recht schaffen. Sorge dafür, dass wir alle in den Himmel kommen, aber, wenn du es willst, noch nicht gleich.» Weil man ihn als Schweizer Bürger nicht in ein KZ stecken konnte, wurde er zur unerwünschten Person erklärt, und es erging das Urteil: «Landesverweisung auf Lebenszeit ». Als der Richter ihm, dem Angeklagten, das letzte Wort erteilte, sagte von Galli: «Herr Richter, ich bitte um eine klarere Fassung des Urteils!» Der empörte Richter herrschte ihn an, das Urteil sei doch wohl klar genug; ihm sei auf Lebenszeit der Aufenthalt im Grossdeutschen Reich verboten. Da fragte von Galli: «Bitte, Herr Richter, auf wessen Lebenszeit?»

Hat Jesus gelacht?
Sicher, in der Bibel steht nicht, dass Jesus gelacht hat. Doch wer daraus ableitet, er habe tatsächlich nie gelacht, müsste auch folgern, dass er sich nie satt gegessen habe, weil die Evangelien nichts darüber schreiben, oder er sei nie erkältet gewesen, weil nirgends geschrieben steht, er habe niesen müssen. Sicher aber hat Jesus gesagt: «Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen» (Lk 6,21). Das deutet darauf hin, dass für Jesus die Freude eng zu seiner Botschaft und das Lachen eng zum Reich Gottes gehört. Spott auszuhalten gehört genauso zur Jesus-Nachfolge wie gelassen über sich selbst zu lachen.

Franz-Xaver Hiestand SJ, Leiter des aki Zürich