Dorothea Wyss-Borer – hier mit einer Klientin in einer Wohngruppe – will Beziehungen stärken. Foto: Heinz Wyss
«Ein offenes Herz, Zeit zum Zuhören und Nachfragen»
Dorothea Wyss arbeitet in der Fachseelsorge für Menschen mit einer geistigen Behinderung
Dorothea Wyss-Borer ist seit zwei Jahren Mitarbeiterin in der Fachseelsorge für erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung im Pastoralraum Bern Oberland. Was es damit auf sich hat, erzählt die Katechetin mit Zusatz Heilpädagogischer Religionsunterricht (HRU) aus Interlaken im Interview.
Interview: Vera Rüttimann
«pfarrblatt»: Welche konkreten Angebote bietet die «Fachseelsorge für erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung» an?
Dorothea Wyss-Borer: Ein kleiner Auszug aus dem Jahresprogramm: Ich besuche verschiedene Wohngruppen, in denen Menschen mit geistigen Handicaps wohnen. Mit ihnen unternehme ich mit meiner reformierten Kollegin Mirjam Dummermuth verschiedene Ausflüge. Zum Beispiel eine Schifffahrt, einen Singabend in einem Altersheim und in der Adventszeit einen Besuch zu einem Basar des reformierten Pfarrkreises Interlaken-Matten. Die Begleitung der bereits existierenden «Nachtigallen-Gruppe» in Interlaken wird zudem weiterhin angeboten.
Welchen Stellenwert haben Andachten?
In Meiringen, Interlaken und in der Stiftung Alpenruhe in Saanen finden jedes Jahr mehrere Andachten statt, welche sehr geschätzt werden. Der alljährliche ökumenische Gottesdienst «Für Di und Mi» wurde 2023 in der katholischen Kirche in Zweisimmen durchgeführt und fand ebenfalls grossen Anklang.
Machen Sie auch persönliche Begleitungen?
In der Pfarrei St. Martin, Thun, pflege ich beispielsweise einen persönlichen Kontakt zu einer alleinerziehenden Mutter mit ihrem geistig beeinträchtigten Sohn. Bei Bewohner:innen der Stiftung Alpenruhe in Saanen und aus den Wohngruppen in Interlaken leiste ich ebenso persönliche Begleitungen. Diese Menschen schätzen es, wenn jemand ein offenes Herz, Zeit zum Zuhören und Nachfragen hat.
Können Sie uns erzählen, wie ein solches Angebot aussieht? Wie gestalten Sie konkret, etwa in Saanen, einen Nachmittag?
In Saanen gibt es seit über einem Jahr monatlich einen ökumenisch-kirchlichen Nachmittag, welcher in der Stiftung Alpenruhe durchgeführt wird. Zusammen mit meiner reformierten Kollegin Irene Bieri und einer weiteren Mitarbeiterin bieten wir eine Andacht, ein Zvieri und eine gemeinsame Spiel- oder Spaziergangzeit an. Wir achten darauf, dass wir ein offenes Ohr haben und sich dadurch Gespräche ermöglichen. Wir spielen mit den Bewohner:innen häufig «Uno». Es ist ein Spiel, mit welchem die Beziehung gestärkt wird und mit dem wir sie emotional gut abholen können.
An welche Einsätze erinnern Sie sich besonders gern?
Die Andachten in Meiringen sind immer speziell. Zum Beispiel nahmen im Januar 15 Personen von der Stiftung Sunneschyn teil. Mit Leuchtwesten und Stirnlampen ausgestattet, marschierten wir bei strömendem Regen – mit Gitarre, Handörgeli, Sirup und Brot im Gepäck – vom Heim zur reformierten Kirche. In der katholischen Pfarrei Meiringen wird einmal im Monat ein Kaffeetreff angeboten, bei dem Gespräche mit dem Gemeindeleiter Jure Ljubic ermöglicht werden. Eindrücklich waren auch all meine «Sozialhundeeinsätze» mit meiner verstorbenen Hündin Paya, die für einen Beziehungsaufbau sehr wertvoll war.
Welche Rolle spielt dabei der Glaube der Menschen?
Menschen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen sind sehr offen dafür. Fast alle haben einen Zugang zum Glauben. Ich denke, sie sind dafür offener als Menschen ohne Beeinträchtigungen.
Projektfonds für pastorale und diakonische Arbeit
Die «Fachseelsorge für erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung» wird während der dreijährigen Pilotphase durch den Projektfonds für pastorale und diakonische Arbeit der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Bern mit 30000.– Franken unterstützt. Mit dem Projektfonds bezweckt die Landeskirche, die pastorale und diakonische Arbeit in Pastoralräumen zu fördern, und leistet bei Bedarf Unterstützungsbeiträge zur Umsetzung von regionalen Projekten.
Projektverantwortliche in Pfarreien und Missionen können ein Projektgesuch an den Fondsausschuss richten. Gegenwärtig bestehen drei Eingabetermine (Januar; Mai; September). Die Mitglieder des Fondsausschusses (Vertreter:innen von Kirchgemeinden und Pastoral) prüfen das Projektgesuch entlang festgelegter Kriterien (Fondsreglement).
Die Fachstelle Pastorale Bereiche der Landeskirche unterstützt Projektverantwortliche bei Bedarf hinsichtlich Gesuchstellung. Das Antragsformular, das Reglement zum Projektfonds sowie weiterführende Unterlagen können über die Homepage der Fachstelle Pastorale Bereiche heruntergeladen werden.
Markus Stalder, Diakon und Leiter Fachstelle Pastorale Bereiche