«Wir haben gar nichts», sagt Najwa Al Hamad, und versucht für die Kinder das Beste aus der Situation zu machen. Bild: Alexandra Wey/Caritas Schweiz

Ein syrisches Schicksal

01.04.2015

Vier Jahren nach den ersten Protesten gegen das Assad-Regime ist die Zahl der syrischen Flüchtlinge auf fast vier Millionen angewachsen. Wie schwierig ihre Lage ist, zeigt das Beispiel von Najwa Al Hamad*. Die Mutter von drei Kindern lebt in Jordanien und wird von Caritas unterstützt.

Unser Begleiter von der jordanischen Caritas, der sich seit 20 Jahren für Flüchtlinge engagiert, bereitet uns auf den Besuch vor: «Diese Frau hat ein unglaublich schweres Schicksal. Als ich sie das erste Mal traf, kamen mir die Tränen.» Umso überraschter sind wir darüber, wie herzlich die 32-jährige Mutter uns begrüsst. Ihr Blick drückt Kraft und Zuversicht aus, doch bald wird klar, dass ihr Schicksal wenig Anlass dazu gibt.
Der Junge, den sie liebevoll auf den Armen trägt, ist ihr Erstgeborener. Wieso Souad mit elf nur so gross ist wie ein Zweijähriger, weiss seine Mutter nicht.
Sie weiss nur, dass er ständig Atemnot hat, weder gehen noch sprechen kann und offensichtlich unter Schmerzen leidet. Legt sie ihn für kurze Zeit hin, beginnt er zu weinen.

Mörser zerstörten ihr Haus
Najwa stammt aus Deraa, jene Stadt nahe der jordanischen Grenze, in der vor vier Jahren die ersten Proteste gegen das syrische Regime aufflammten. Lange ist sie trotz der Repressionen geblieben, aber dann zerstörten Mörser ihr Haus und es blieb ihr keine andere Wahl, als ins benachbarte Jordanien zu flüchten. Sie landete im Lager Zaatari, das 80 000 Flüchtlinge beherbergt. «Hier konnte ich mit meinem kranken Kind nicht bleiben, es gibt keine Privatsphäre und schlechte Hygiene», erzählt sie. Wer eine Chance hat, das Lager zu verlassen, nutzt sie. Heute wohnt Najwa zusammen mit ihren beiden Schwestern in einem Haus mit drei Zimmern und einer Küche. 18 Personen leben unter einem Dach.

«Es wird alles gut», sagte er
Die drei Schwestern sind auf sich gestellt. Ein Ehemann ist umgekommen, ein anderer ist an einer schweren Hepatitis erkrankt. «Mein Mann ist in Syrien geblieben. Ich weiss nicht, ob er noch lebt. Vor drei Monaten habe ich mit ihm telefoniert. ‹Es wird alles gut›, sagte er. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht frei sprechen konnte», sagt sie mit Tränen in den Augen.

Najwas zehnjähriger Sohn Hamza besucht einen Einschulungskurs der Caritas, seine neunjährige Schwester Bushra möchte gerne in die öffentliche Schule. Ein nächster Einschreibetermin ist aber erst im Sommer. Bis dahin muss sie zuhause bleiben. «Mein Sohn macht mir Sorgen. Seit wir fliehen mussten, schlägt er seine Schwester und andere Kinder ohne Grund. Ich kann nichts dagegen tun. Er hat psychische Probleme», sagt Najwa.

Immer weniger Hilfe
Die Weltgemeinschaft und der jordanische Staat beginnen, die Unterstützung für die Flüchtlinge zu kürzen. Kürzlich hat das Welternährungsprogramm den Betrag der Gutscheine, mit denen Flüchtlinge Lebensmittel kaufen können, halbiert. Eine Behandlung beim Arzt kostet neu eine Grundgebühr. Für Najwa ist dies wie für Hunderttausende andere eine weitere Katastrophe: «Wir haben gar nichts.» Caritas Jordanien lindert die Not, indem sie der Familie für sechs Monate Lebensmittelgutscheine abgibt sowie Beiträge an die Miete und an die Behandlung von Souad leistet. «Wenn der Konflikt vorbei ist, möchte ich nach Syrien zurück», sagt Najwa. Aber alles deutet darauf hin, dass dies noch sehr lange dauern könnte.

Stefan Gribi

* Alle Namen zumSchutz der Betroffenen geändert

Spendenaufruf für syrische Flüchtlinge
Caritas Schweiz unterstützt syrische Flüchtlinge in Jordanien, im Libanon und im Irak mit Lebensmittelgutscheinen, Mietzuschüssen und Winterhilfe. In Syrien finanziert sie Suppenküchen in Aleppo und in Damaskus. Um diese Hilfe weiterführen zu können, ruft Caritas zu Ostern zum Spenden auf. Jede Spende auf das Postkonto 6070004 hilft die Not der syrischen Flüchtlinge zu lindern.

Jürg Meienberg