Das Podium zum Theater auf dem Gurten stand ganz im Zeichen des roten Passes. Fotos: Sylvia Stam

Einbürgerung in der Schweiz: Hürden bis zum roten Pass

31.07.2024

Der Schweizer Pass gilt als begehrt, dennoch lassen sich vergleichsweie wenige Ausländer:innen einbürgern. Woran liegt das? Ein Podium zu Integration und Einbürgerung.

Der Schweizer Pass gilt als begehrt, dennoch lassen sich vergleichsweise wenige Ausländer:innen einbürgern. Woran liegt das? Ein Podium zu Integration und Einbürgerung. Anlass ist das aktuelle Theaterstück «Da chönnt ja jede cho!» auf dem Gurten.

Text und Fotos: Sylvia Stam

Zwischen 1000.- und 8000.- Franken kostet der Schweizer Pass laut Aussage von Regula Mader, Vizedirektorin des Staatssekretariats für Migration (SEM), für eine Familie. Da der Weg zum roten Pass in die Kompetenz der Kantone fällt, gleichzeitig aber Gemeinde, Kanton und Bund involviert sind, gibt es je nach Wohnort grosse Unterschiede, wie am Donnerstag beim Podium auf dem Gurten in Bern zu erfahren war.

Problematischer als die Kosten sind für Jacqueline Truffer, Integrationsbeauftragte in Köniz, die Anforderungen an die Sprachkenntnisse und die Bedingung, dass Antragsteller:innen keine Sozialhilfe beziehen dürfen. Cecilia Ngafor Fri, die im Stück «Da chönnt ja jede cho!» eine Serviceangestellte spielt, erwähnt den Einbürgerungstest als weitere Hürde: «Die Angst, diesen Test nicht zu bestehen und die damit verbundene Scham hält vor allem ältere Ausländer:innen davon ab, einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen.»

Faires Einbürgerungsverfahren

Diese Hürden und die regionalen Unterschiede haben Arbër Bullakaj veranlasst, politisch aktiv zu werden. Er ist Mitglied des Initiativkomitees der Demokratie-Initiative, die sich für einen «Paradigmenwechsel in der Bürgerrechtsdiskussion» einsetzt, wie Bullakaj auf dem Podium sagt. Diese möchte ein objektiveres, faires Einbürgerungsverfahren erreichen. Dazu soll der Bund beauftragt werden, neue Vorschriften zu erlassen. Ein Einbürgerungsantrag solle zudem neu nach fünf und nicht erst nach zehn Jahren gestellt werden können. «Unfaire Kriterien wie der Ausschluss von Sozialhilfebezüger:innen» so Bullakaj, sollen wegfallen.

Wer dem Podiumsgespräch als gebürtige:r Schweizer:in ohne Einbürgerungserfahrung zuhört, kann ins Staunen geraten ob der Beispiele, die hier zu hören sind: Dokumente, die man aus einem afrikanischen Geburtsland schicken müsste, kämen erst nach Ablauf der Einreichungsfrist an. Anwärter:innen sollen abgelehnt worden sein, weil sie nur eine von drei Dorfbeizen nennen konnten oder weil sie in Trainerhosen auf die Strasse gingen. «Mangelhaft integriert»  laute in solchen Fällen die Begründung. Laut Bullakaj öffnet dies jedoch Tür und Tor für Willkür, weil klare Kriterien fehlten.

Möglichkeit zum Rekurs

Eine Aussage, der Rechtsanwältin Regula Mader klar widerspricht: «Wer sich einbürgern lässt, erhält mehr Rechte. Der Gesetzgeber hat für die Einbürgerung klare Kriterien festgelegt.»  (siehe Infobox) «Isch au rächt!», raunt jemand aus dem Publikum. «Meiner Erfahrung nach werden diese Vorgaben in der Regel sehr sorgfältig angewendet», so Mader. Es gelte die Verhältnismässigkeit zu beachten, zudem gebe es die Möglichkeit zum Rekurs. Eine Möglichkeit, von der Arbër Bullakaj schon oft mit Erfolg Gebrauch gemacht hat, wie er sagt: «Es gibt Gemeinden, die Einbürgerungen kategorisch ablehnen», berichtet er, der Personen in Einbürgerungsverfahren unterstützt.

Studie im Auftrag des SEM

Dennoch fragt man sich auch im Staatssekretariat für Migration, warum sich verhältnismässig wenige Ausländer:innen einbürgern lassen und somit ein Viertel der Schweizer Bevölkerung in politischen Angelegenheiten nicht mitreden kann. Das SEM hat daher eine Studie zu dieser Frage in Auftrag gegeben. Der Schlussbericht soll im Oktober vorliegen, fast zeitgleich also mit der Einreichung der Demokratie-Initiative, für die bis am 23. November aktuell noch rund 30’000 Unterschriften gesammelt werden müssen. Beides dürfte der politischen Diskussion um Integration und Einbürgerung Auftrieb geben. Wer sich bis dahin auf humorvollere Weise mit dem Thema auseinandersetzen möchte, hat noch bis Ende August die Möglichkeit, das Stück «Da chönnt ja jede cho!» des Freilichttheaters Gurten zu besuchen.

Der Weg zum Schweizer Pass
Wer sich ordentlich einbürgern lassen möchte, muss erfolgreich integriert und mit den schweizerischen Lebensverhältnissen vertraut sein, er oder sie darf die innere und die äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährden, muss den Ausweis C haben und mindestens 10 Jahre in der Schweiz wohnen. Sprachkenntnisse auf Niveau A2 (schriftlich) und B1 (mündlich) werden verlangt.
Die Voraussetzungen für das Bürgerrecht des Kantons und der Gemeinde variieren stark. Manche Kantone verlangen, dass Bewerber:innen ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten.
Durchschnittlich kostet das Bürgerrecht der Gemeinde zwischen 500 und 1000 Franken pro Person, des Kantons bis zu 2000 Franken pro Person und beim Bund für eine erwachsene Einzelperson 150 Franken. Hinzu kommen die Kosten für die verlangten Dokumente (Wohnsitzbestätigung, Strafregisterauszug, Betreibungsregisterauszug usw.) (Quelle: admin.ch, ch.ch)