Die Künstlerinnen Nataliia Hradanovych und Olga Subotinas, vor ihren Bildern in der Heiliggeistkirche. Foto: Vera Rüttimann
Eindrückliche Kunst von starken Frauen
Festival der Kulturen in der Heiliggeistkirche
Das Festival der Kulturen in der Heiliggeistkirche in Bern gab Künstler:innen mit und ohne Migrationsvordergrund eine Bühne. Mit dabei waren erneut Frauen mit bewegten Biografien und starken künstlerischen Positionen.
von Vera Rüttimann
Grosse Augen voller Angst. Daran bleibt der Blick hängen bei der Fotoausstellung «Kyjiw-Bern – Der Weg ins Ungewisse.» Bilder zeigen die Kinder der Fotografin Olga Subotinas aus Kiew. Sie mussten 21 Tage lang Schutz suchen vor Raketenangriffen und schliefen in ihrer Badewanne. Ein anderes Foto zeigt den Arm ihrer Tochter. Da stehen zwei Telefonnummern drauf: Ihre und diejenige ihres Mannes. «Ausserdem steht die Adresse unseres Hauses darauf. Wenn das Kind stirbt, kann man es anhand dieser Informationen identifizieren», schildert sie.
Olga Subotinas hat mit ihrer Kamera die Flucht ihrer Familie aus der Ukraine in die Schweiz dokumentiert. Die starken Schwarzweissfotografien sind Teil der Ausstellung «here we are» des Festivasl der Kulturen.
«Kunst in der beste Weg»
Neben Olga Subotinas steht Nataliia Hradanovych. Die ebenfalls Kiew stammende Frau ist zeigt ihre Wut offen. Vor dem Krieg habe sie sich etwas aufgebaut: Eine Karriere als Ingenieurin, ein Haus gebaut und einen Garten angelegt. «Ich musste alles zurücklassen.» Nun steht sie vor ihrem Bild, was eine Kuh in fröhlichen Pinkfarben zeigt. «Es ist ungewiss, wann wir zurückkehren können. Das bedeutet für uns unvorstellbaren seelischen Stress», sagt sie. Für sie sei die Kunst «der beste Weg, nicht verrückt zu werden in diesen Zeiten.»
«We wanna see your points!»
Interessiert beobachten die beiden Ukrainerinnen jetzt die Fashion-Show, bei der verschiedene Gruppen ihre Kreationen vorführen. So auch Elena von der rumänischen Gruppe «Elena Bursuc Fashion». Sie spricht darüber, was sie motiviert, hier mitzumachen: «Ich habe schon als Kind in meiner Heimat genäht und viel ausprobiert. Ich freue mich, dass ich ihnen meine selbstgemachte Tracht vorführen kann.»
Der Moderator ruft «We wann see your points!» in die Kirchenraum. Wieder gehen die Hände hoch und werden Punkte verteilt. Zum Schluss entert Elena mit anderen Gruppen wie Punksternchen, Terebelle oder Kipfashion die Bühne. Mode, das wissen hier alle, kann Kunst und politisches Statement sein.
Sprechende Bilder
Auf dem Programm stehen zwei VISUAL ART-Blocks. Jedes Mal ein Höhepunkt an diesem Festival. Vorgestellt werden die Künstler:innen vom Berner Kunstschaffenden Jürg Curschellas. Er lässt die Kreativen als «sprechende Bilder» auftreten. Da ist beispielsweise Banu Kalmaz, die über ihr Werk sagt: «Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann einen Hurrikan auslösen, der um die halbe Welt reisen kann. Wir schlagen mit den Flügeln wie ein Schmetterling gegen Rassismus.»
Hanna Pieri hat im Treppenaufgang der Kirche ihre Zeichnungen aufgehängt. Sie handeln von den zehn Geboten. «Die Geschichte, als Moses auf dem Berg Sinai zwei Gesetzestafeln erhalten hat, hat mich schon immer fasziniert.» Bei den Werken von Pia Berla erkennt der Betrachter nicht genau, was es darstellt. Berla sagt dazu: «Wir stellen uns fragen, was das ist. Und so müssen wir aktiv werden und einen inneren Suchprozess starten.»
Zwischen den VISUAL ART-Blocks gibt es Tanz von Gruppen wie Las Palomas oder Mélange Oriental. Tanz Belp zeigt das Tanzstück «Put yourself in different shoes!» Sie erhalten die meisten Stimmen beim Online-Voting. Bei den vielen Konzerten auf der Bühne ist der indische Musiker Amit Kumar Sharma ein Act, der heraussticht.
Starke Frauen
Den ersten Platz in der Sparte VISUAL ART gewinnt Sonata Raiymkulova. Die multidisziplinäre arbeitende Künstlerin aus Kirgisistan hat in der Heiliggeistkirche mit Stoffen ein raffiniertes Werk geschaffen. In ihrer Kunst beschäftigt sie sich mit geschlechtsspezifischen Themen wie der Stellung der Frau in der Gesellschaft. Den beiden ukrainischen Künstlerinnen Olga Subotinasund Nataliia Hradanovych wird diese Wahl gefallen. Wie Sonata Raiymkulova stehen auch sie für Stolz, Stärke und Selbstbewusstsein.
Das Festival der Kulturen fand am 15. Und 16. März statt. Die Ausstellung «VISUAL ART» ist noch bis 21. März in der Heiliggeistkirche in Bern (die beim Bahnhof) zu sehen.