Grössmögliche Offenheit. Alle Menschen waren zur Segensfeier willkommen. Foto: Silvan Beer
Eine Feier für allerlei Liebende
Die «mannigfaltige Liebe» wurde in Bern «herzwärts» gefeiert
Im Zeichen der «mannigfaltigen Liebe» fand am Valentinstag eine Segensfeier in der St. Marien Kirche im Berner Breitenrain statt. Willkommen waren alle.
Eine Reportage von Silvan Beer
Ein roter Teppich, gesprenkelt mit Rosenblättern, führt durch das Kirchenschiff zum Altar, wo ein Plakat mit dem Schriftzug «herzwärts» angebracht ist. «Die Segensfeier zum Valentinstag am 14. Februar lädt alle Liebenden, unabhängig von Alter, Konfession oder geschlechtlicher Ausrichtung, ein, die Liebe zu feiern», schreiben die Organisator:innen. Romantische Piano- und Saxofon-Musik erfüllt die Kirche und etwa 15 Paare und einige Alleinstehende allen Alters sitzen in den Bänken.
Die Liebe in schwierigen Zeiten
Das Theologenpaar Peter Sladkovic-Büchel und Angela Büchel-Sladkovic leiten die Feier. Sie sprechen über die Liebe in schweren Zeiten, über Corona, Krieg und Klimakatastrophe und immer wieder über die Hoffnung, die aus der Liebe erwachsen kann. Mit vier konkreten Fragen geben sie den Anwesenden Impulse, sich zusammen auszutauschen. Musik ertönt. Die Anwesenden flüstern miteinander. Viele halten sich in den Armen. Einem Mann kommen die Tränen, während er seiner Frau zuhört. Es herrscht eine intime und zärtliche Stimmung an diesem Abend.
Die Liebe unter den Segen Gottes stellen
Danach gehen alle nach vorne in den Chor. Der Segen soll für alle gespendet werden. Auch die Alleinstehenden werden eingeladen und wiederholt wird darauf aufmerksam gemacht, dass die religiöse Gesinnung, das Alter, die Lebensform oder sexuelle Ausrichtung niemanden davon abhalten sollen, an diesem Abend einen Segen der Liebe zu erhalten. Die Leitenden bitten Gott um den Segen und eine Weile verweilen alle um den Altar versammelt, während die Musiker Scharlachrot von der Berner Band Patent Ochsner spielen.
Ein Apero bei Kerzenschein
Im Gespräch nach der Feier erzählen einige davon, dass sie mit dieser Feier dem kommerzbehafteten Valentinstag bewusst eine andere, spirituellere Note verleihen möchten. «Blumen schenken wir uns keine am Valentinstag. Und Liebesbriefe schreiben wir uns auch sonst gerne», sagt eine der Teilnehmerinnen. Ihr Mann ergänzt, dass er mit der Kirche nicht viel am Hut hat, aber diese Feier als Beziehungsritual sehr schätzt. Viele sehen in dieser Feier einen schönen Rahmen, um sich bewusst der Beziehung zu widmen, sich auszutauschen und über die gemeinsame Liebe zu reflektieren. So wurden insbesondere die Gesprächsimpulse als sehr anregend empfunden. Ein junges Paar erzählt zudem, dass sie schon eine lange Geschichte mit Peter Sladkovic-Büchel verbindet. Ihre Firmungen, Taufen und sogar die Trauung habe er gestaltet. Sie fühlen sich ihm verbunden und spüren, je älter dass sie werden, wie wichtig ihnen auch eine religiöse Dimension im Leben und in der Liebe ist.
Christlich oder nicht christlich?
Es wird auch über die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Inklusion verschiedenster Lebensformen und der katholischen Doktrin, nach der die gleichgeschlechtliche Liebe keine legitime Lebensform darstelle, diskutiert. Viele der Anwesenden empfinden diese Haltung als veraltet und wünschen sich mehr Offenheit in der Kirche. Ihnen erscheint eine solche Feier, die bewusst niemanden ausschliesst, als sehr wichtig.
Offenheit
Im Versuch, die Teilnahme nicht von der religiösen Zugehörigkeit und der sexuellen Ausrichtung abhängig zu machen, wurden die Texte bewusst sehr offen und unbestimmt formuliert. Die Feier an sich war geprägt von einer allgemein gehaltenen Spiritualität. Seit 13 Jahren gibt es diese Segensfeier am Valentinstag nun schon in dieser Form und die Offenheit den verschiedensten Haltungen und Lebensformen gegenüber gehört zum Programm. Es nahmen kaum queere Menschen an der Feier teil. Es braucht in der katholischen Kirche offenbar mehr als Angebote wie diese Segensfeier, um die historische Bürde der Intoleranz abzutragen.