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Eingangstor
Eine Kolumne der Seelsorger*innen am Inselspital Bern. Von Ingrid Zürcher.
Aus dem Lärm der Tage
falle ich in die Stille.
Aus dem Sturm der Stunden
bette ich mich in den Atem.
Aus der Leere der Silben
rette ich mich in das Wort.
Mit diesen Worten von Jacqueline Keune (Scheunen voll Wind, S. 27) zu beginnen, ist einer der Vorschläge einer kleinen Liturgie für den monatlichen Zwischenhalt in der Inselkapelle. Ich wähle ihn immer wieder einmal. Er hat sich für mich bewährt. Es ist ein guter Anfang, um mich aus dem Betrieb des Spitals zu lösen und mich in einer der Oasen auf dem Areal einzufinden, sodass ich mich eingesammelt habe und auch wirklich da bin. Zweimal lesen ist oft nötig. Und es eben auch tun – oder eher geschehen lassen, dieses Fallen in die Stille, dieses Betten in den Atem.
Er hilft mir auch in Situationen, die mich belasten – wenn ich ganz durcheinander bin und die Gedanken im Kopf schwirren und ich gar nicht mehr weiss, wie und was. Ich setze mich auf mein Kissen und bette mich in den Atem. Und rette mich in ein Wort. Oft eines aus den Psalmen. Gern eines, wozu ich eine Melodie kenne und mich von ihr noch tragen lassen kann. Es ist dann vor allem Geschehen lassen, und doch liegt da auch an mir, es zu tun: mich sozusagen mitzunehmen und da hineinzuretten.
Es hat sich schon öfter bewährt. Und das nährt das Vertrauen. Das Zutrauen ist da, dass dies hilfreich sein wird. Mein Körper scheint das Kissen zu kennen. Und mit dem Psalmwort ist auch ein Du im Horizont, eine Anrede möglich, ein Zuspruch zu hören.
Was einen anspricht, einem hilft und was sich bewährt, ist individuell und ausserdem je nach Situation verschieden. Und zugleich werden Zeilen wie die oben genannten vielen und ganz unterschiedlichen Menschen ein Eingangstor sein können zu einem Übungsweg in ein für sie hilfreiches Da-Sein.
Ingrid Zürcher, ref. Seelsorgerin