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Ernte, die –
Ein Bild biblischer Geschichten, dessen Deutung es in sich hat
Der Herbst ist hierzulande die Zeit des Erntedanks. Der Erntemonat August ist zu Ende und hinterlässt leere Felder. Das Christentum kennt die Tradition des Erntedankfests noch heute. Trotz heidnischer Ursprünge gibt es in zahlreichen Pfarreien noch Gottesdienste oder Feiern zum Erntedank. Es geht dabei nicht nur um Dankbarkeit für die landwirtschaftliche Produktion, sondern auch um Wertschätzung der Natur und der Schöpfung als unsere Lebensgrundlage – und um Gerechtigkeit bei der Verteilung ihrer Früchte.
Die Bibel kennt viele Geschichten, die um das Bild der Ernte kreisen. Man denke an die Vögel in Matthäus 6,26: Sie säen nicht, sie ernten nicht und doch ernährt sie Gott. Natürlich – in dieser Stelle der Bergpredigt Jesu geht es in erster Linie darum, dass das Himmelreich nicht verdient werden kann. Es ist aber gleichzeitig ein Aufruf zum Verzicht, eine Mahnung an die Hörenden, ihren weltlichen Reichtum nicht zu vergötzen. «Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen», sagt Jesus.
Dennoch – das Bild, das Matthäus vom Verhältnis zu Reichtum zeichnet, bleibt unscharf. Zum Beispiel das Gleichnis von den Talenten in Kapitel 25. Auf den ersten Blick eine eindeutige Geschichte.
Wer nicht mit den ihm geschenkten Gaben haushaltet, sie vermehrt, der ist des Himmelreichs unwürdig. Geht es tatsächlich darum? Wieso nehmen wir an, dass der reiche Gutsbesitzer für Gott steht? Und nicht für das, als was ihn der dritte Diener beschreibt: ein strenger Mensch, der erntet, wo er nicht sät?
Eine solche Deutung des Gleichnisses stammt vom Befreiungstheologen Ernesto Cardenal. Er hatte sie von einem Bauern in Solentiname, Nicaragua, gehört, der die Parabel nicht gut fand. Jedenfalls nicht, wenn man sie so lese, wie sie meistens gelesen werde. Ob der Bauer recht hatte oder nicht, darüber lässt sich streiten. Schätze häuften die Bauern von Solentiname jedenfalls keine an. Das Militär brannte das Kloster und die Gemeinde, in der er lebte, trotzdem nieder.
Sebastian Schafer