Ist die Firmung ein Abschluss oder ein Anfang? Im Bild: Domherr Arnold Stadelmann an der Firmung 2018 in Thun. Foto: Georg Englert

Es geht um mehr als die zwei Jahre Altersunterschied

Heisse Diskussionen um Firmalter 17+

Sollen junge Menschen am Ende ihrer Schulzeit oder erst mit 17 Jahren das Sakrament der Firmung erhalten? Über diese Frage wurde im Pastoralraum Oberland ein Jahr lang intensiv diskutiert.

Von Sylvia Stam

Bischof Felix Gmür möchte, dass junge Menschen frühestens mit 17 Jahren gefirmt werden (17+). Denn der Kontakt zur Kirche breche oftmals ab, «wenn junge Menschen selbstständig werden»,  schreibt Gmür in seiner Firmempfehlung 2021. Tatsächlich firmen bereits viele Berner Pfarreien Jugendliche mit 17 Jahren. Im Pastoralraum Oberland ist der Prozess zur Erhöhung nun im Gang.

«Bei Jugendlichen ab 17 erlebe ich ganz andere Fragen zum Glauben», sagt die Thuner Katechetin Pia Krähenbühl, die eine Gruppe Oberministrant:innen leitet. Sie würde eine Erhöhung auf 17 Jahre daher begrüssen. «Hat die Auferstehung wirklich stattgefunden? Macht Nächstenliebe wirklich Sinn?», nennt sie als Beispiele. Die Firmung zwei Jahre nach Schulabschluss könne zudem ein Anstoss sein, den Kontakt zur Kirche nochmals aufzunehmen.

Kommen sie wirklich zurück?

Genau dies bezweifeln Jure Ljubic, Diakon und Gemeindeleiter in Meiringen, und Petra Linder-Lustig, Katechetin in derselben Pfarrei. Beide möchten an der bisherigen Praxis der Firmung bei Schulabschluss festhalten. «Viele verlassen ihren ursprünglichen Wohnort nach der Schule. Ist die Kirche ihnen dann so wichtig, dass sie zurückkommen, um sich firmen zu lassen?», fragt Petra Linder. Einige Eltern von Firmand:innen hätten den Eindruck, «dass die Kirche den Kindern, die den Religionsunterricht besuchen, etwas wegnimmt». Die Firmung sei ein Abschluss, ähnlich der reformierten Konfirmation. «Wir geben ihnen etwas ins Erwachsenenleben mit.»

Auch Jure Ljubic sieht das Sakrament bei Schulabschluss «als Stärkung auf ihren weiteren Weg.» Natürlich seien die Jugendlichen mit 17 entwicklungspychologisch reifer, aber er bezweifelt, «dass sie religiös stärker sind.» Dies sei mehr eine Frage der religiösen Erziehung als des Alters. Er denkt dabei beispielsweise an eine Gebetspraxis in der Familie oder das Vorlesen biblischer Geschichten. 

Start in selbständiges religiöses Leben

Für die Thuner Religionspädagogin Cornelia Pieren soll die Firmung gerade kein Abschluss sein, sondern «der Start in ein selbständig religiöses Leben». Die Kirche könne nicht «bewirken, dass jemand glaubt. Wir können nur einen Samen legen, dass das Evangelium eine Botschaft ist, die einen durch das Leben tragen kann.»

Dennoch hat sie Verständnis für die Jugendlichen, die gerade im stark reformiert geprägten Oberland dasselbe wollten wie ihre reformierten Klassenkamerad:innen. Sie sieht daher eine Möglichkeit, dies durch ein Segnungsritual am Ende der Schulzeit zu entschärfen.

Aus ihrer eigenen Erfahrung ist sie überzeugt, dass jene, die sich mit 17 nicht zur Firmung anmelden, nicht verloren sind, sondern allenfalls nach einem Reifeprozess wieder auf die Kirche zukommen.

Die Befürworter:innen des höheren Firmalters argumentieren damit, dass sich 17-Jährige eher wirklich frei entscheiden, unabhängig von Gruppendruck oder Elterneinfluss. Die Gegner:innen beziehen die Familie mit ein: «Erklären Sie mal einer portugiesischen Grossmutter, warum das Enkelkind am Ende der Schulzeit nicht gefirmt wird», sagt Petra Linder, die mit vielen Eltern gesprochen hat.  Einig sind sich die Katechetinnen und der Diakon, dass jedes Kind an einem anderen Ort steht und daher eine individuelle Lösung wünschenswert wäre. Das dürfte allerdings schwer umsetzbar sein.  

Der Pastoralraum Oberland strebt trotz der Bedenken aus Meiringen das Firmalter 17+ an, lässt den einzelnen Pfarreien aber die Wahl, in welchem Tempo dies geschieht. «Wir warten ab, bis aus den anderen Pfarreien erste Erfahrungen da sind», sagt Jure Ljubic. «Vielleicht starten wir 2029 damit.»


Hinweis: Aus Platzgründen fokussieren wir hier auf das Oberland. Im August 2023 widmen wir das Dossier Religionspädagogik dem Sakrament der Firmung in einem umfassenden Sinn.