Foto: iStock
«Es ist vollbracht»
Kolumne aus der Inselspitalseelsorge
Es war vor Kurzem an einem Spätnachmittag, als ich zu einer Patientin gerufen wur de. Als ich zu ihr ins Zimmer kam und an ihr Bett trat, hörte sie über Kopfhörer die Arie der Altstimme «Es ist vollbracht» aus der Johannespassion von J. S. Bach. Jesus ist am Kreuz gestorben. Er hat durch sein Leiden die Schuld der Menschen abgetra gen. Wir kommen darüber ins Gespräch und hören anschliessend zusammen die Arie der Bassstimme*. Diese Bassstimme fragt nach:
Mein teurer Jesus, da du nun ans Kreuz geschlagen
Kann ich durch deine Pein und Sterben
das Himmelreich ererben?
Ist aller Welt Erlösung da?
Sein stillschweigend «Ja»
trifft meine Zweifel.
Ich glaube nicht der Welt Erlösung.
Es ist vollbracht?
Wird alles gut, wird’s jemals gut?
Nichts ist gut in Gaza und Afghanistan.
Gewalt, Verfolgung, Flucht und Tod.
Herzemein, erzähle der Welt und dem Himmel
deine Not: Jesus ist tot!
Kaum auszuhalten ist die Not der Welt.
Ruht wohl? Kaum denkbar, ein Himmel ohne die Spuren der Hölle.
Das Drama reisst mich mit, so dass ich selber rufe:
Kreuzige, kreuzige ihn! und darüber selbst erschrecke.
Der Mensch verklagt, verlacht, verhöhnt, zu Tod gequält.
Es ist uns grad, als ob die ganze Welt
bei Jesu Leiden gleichfalls leidet und die Erde bebt.
Wir schau’n betreten drein wie Petrus.
Ich, ich und meine Sünden, –
bekenne meine Ohnmacht und
lebe mit der Welt in Lust und Freuden –
und andre leiden.
Musik und Worte der Passion
nehme ich benommen auf in Trance,
und Herzenswärme mich erfüllt.
Der Schmerz verzieht und trauernd ich auflebe.
O Jesus, treuer Heiland,
geh auch heute mit uns durch die Todesmacht dieser Welt
und führe uns zur Freiheit von ihren Banden.
O Mensch, mache Richtigkeit,
Gott und Menschen liebe.
*fettgedruckt: Textpassagen aus der Passion
Isabella Skuljan, Seelsorgerin im Inselspital