Eine gefestigte, kleinbäuerliche Landwirtschaft ist eine «wichtige Antwort» auf die Herausforderungen des Klimawandels. Foto: zVg.
Fastenkampagne für gerechtes Saatgut
Gegen das Bedrängen lokaler Landwirtschaft und die Zerstörung von Biodiversität.
Die Fastenkampagne 2020 macht die Problematik des Saatguts zum Thema. Saatgutkonzerne bedrängen zusehends die lokale Landwirtschaft und zerstören auf diese Weise die Biodiversität. Die Klimadebatte gibt der Kampagne eine zusätzliche Brisanz.
von Georges Scherrer, kath.ch
Die ökumenische Fastenkampagne 2020 führt in jene Hälfte der Welt, die den Segen des Geldes nicht geniesst. Nassouh Toutuongi, der christkatholische Pfarrer aus Neuenburg, bringt die zentrale Aussage der Kampagne auf den Punkt: «Die Kontrolle über Saatgut ist seit jeher eine Machtfrage.» Die Zahlen der «globalen Vermögenspyramide», welche die Bank Credit Suisse (CS) veröffentlicht, sind deutlich: In den Industrieländern verdienen etwa 20 Prozent der Erwachsenen weniger als 10 000 Dollar im Jahr. In Indien und Afrika fallen mehr als 90 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in dieses Segment. Für viele Einwohner*innen von Niedriglohnländern sei es eher die Norm als eine Ausnahme, ein Leben lang diesem Armutssegment anzugehören, hält die CS zur Armutspyramide fest.
Die Gründe für das Armutsgefälle mögen vielfältig sein. Die Fastenkampagne 2020 pickt eine der Ursachen heraus: das Saatgut. Nassouh Toutuongi, Sohn eines Libanesen und einer Schweizerin, liefert Predigtanregungen für die Fastenkampagne und benennt in diesen auch problematische Aspekte des Saatguthandels. Einige der Argumente werden auch in der Konzernverantwortungsinitiative aufgeführt, die in den eidgenössischen Räten verhandelt wird. Unternehmen sei es heute möglich, gentechnisch manipuliertes Saatgut patentieren zu lassen und dieses als «exklusives und kommerzielles Produkt» zu verkaufen, betont Toutuongi. «Gewisse Unternehmen» wollten gleichzeitig Bauernfamilien verbieten, das eigene, traditionelle Saatgut mit anderen Landwirten zu «tauschen». So werde eine Art niederschwelliger Handel unterbunden.
Die ökumenischen Kampagne 2020 thematisiert die Bewahrung der Vielfalt des Saatgutes auch auf dem Hintergrund des Klimawandels. Im Kampagnenmagazin 2020 steht, dass nach wie vor 70 Prozent der Nahrungsmittel weltweit von kleinbäuerlichen Betrieben angebaut werden und nicht von der Agrarindustrie. Dieses lokale Saatgut sei besser an die regionalen klimatischen Bedingungen angepasst als die Industrieprodukte. Die christlichen Hilfswerke Fastenopfer, «Brot für alle» und «Christ sein» fordern über ihre gemeinsame Kampagne, dass die Bäuerinnen und Bauern einen sicheren Zugang zu und die Kontrolle über ihre Ressourcen bewahren können. Eine gefestigte, kleinbäuerliche Landwirtschaft könne eine «wichtige Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels sein».
Heute dominierten drei internationale Saatgutkonzerne den weltweiten Markt. Diese versuchten, in verschiedenen Ländern gesetzlich ihre Produkte zu schützen und auf dem Markt durchzusetzen. Dadurch werde ein «jahrtausendealtes Landwirtschaftssystem» zerstört, so die drei Hilfswerke. Die Gewinnung von Saatgut lag in Kenia immer bei den Bäuerinnen. Diese gaben ihr Wissen an ihre Töchter weiter, schreibt Ruth Nganga im Kampagnenmagazin. «Dass dies nun plötzlich verboten sein soll, ist absurd.» Mais soll nicht mehr zur Produktion von Pharmazeutika, Kunststoffen oder Biokraftstoffen verwendet werden, verlangt die Guatemaltekin Inés Pérez. Und Mercia Andres aus Südafrika fügt bei: «Wir sind die Hüterinnen des Landes, des Lebens und des Saatguts.»
Die Hilfswerke haben Materialien bereitgestellt, die in den Pfarreien, Schulen oder für die Sensibilisierung der Schweizer Bevölkerung genutzt werden können – darunter auch ein Meditationsbüchlein mit Texten des Schweizer Erfolgsautoren Pierre Stutz. Seit jeher gehe es ihm darum aufzuzeigen, «dass unser Eintauchen in die Liebe Gottes uns bestärkt, auftauchen zu können für Frieden in Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung.»