Das Hungertuch 2016. Meditationsbild aus Nigeria. Bild: Fastenopfer
Fastenzeit - Zerstörung öffentlich machen
Vor sieben Jahren hat der nigerianische Künstler Tony Nwachukwu in Zusammenarbeit mit Misereor das Hungertuch zur Ökumenischen Kampagne 2016 entworfen. Es zeichnet ein düsteres Bild der Situation in seiner Heimat Nigeria: durch Ölförderung zerstörte Landschaften, verlassene Dörfer, vergiftetes Wasser. Wir wollten von ihmwissen, was er heute dazu denkt.
Die Kindheitserinnerungen von TonyNwachukwu sind stark mit dem Roten Kreuz verbunden. Während des Biafrakriegs von 1967 bis 1970, dessen Grausamkeit er miterlebte, verteilten Schweizer Hilfswerke der hungernden Bevölkerung auch in seinem Dorf Nahrungsmittel. Dafür ist er heute noch zutiefst dankbar. In Europa hat man diesen Krieg längst vergessen. Das Thema Umweltzerstörung hat Tony Nwachukwu nicht mehr losgelassen, seit er das Hungertuch gemalt hat. Im Rahmen des Auftrags fuhr er damals zum ersten Mal ins Nigerdelta. Das hat ihm das ganze Ausmass der Zerstörung durch die Ölförderung vor Augen geführt. «Ich sah Elektromasten aus dem Meer ragen – das Einzige, was von einem versunkenen Dorf übrig geblieben war», erinnert er sich lebhaft. Er erkannte, wie die Ölfirmen auch das soziale Leben zerstören. «Sie arbeiten mit Tricks und bringen auf diese Weise verschiedene Gruppen der ansässigen Bevölkerung gegeneinander auf.» Zudem bestechen sie Behörden und Politiker, so der Künstler, und unterhalten Sicherheitsfirmen, die wie eine eigene Armee funktionieren. Tony Nwachukwu ist überzeugt: «Es ist weiterhin wichtig, diese Zerstörung öffentlich zu machen und mit den Politikern darüber zu reden.»
Wenn Tony Nwachukwu schliesslich über sein Bild auf dem Hungertuch spricht, werden die Details lebendig. Das angsterfüllte Gesicht des kleinen Jungen, der auf einer Öltonne im dreckigen Wasser reitet, gehört seinem jüngsten Sohn; er ist inzwischen vierzehn. Die Schriftzeichen oben rechts sind eine Art Hieroglyphen, mit denen Nigerianer sich vor der Kolonialzeit verständigten. Die Hand mit dem göttlichen Funken, die die Schöpfung darstellt, ist einem Gemälde von Michelangelo entliehen. Am wichtigsten ist ihm aber die Gruppe von Menschen verschiedener Herkunft, die um Symbole zu Frieden, Schönheit und Wachstum versammelt sind. «Respekt und gegenseitiges Verständnis, das sind meine zentralen Themen », betont der Künstler. Immer wieder besucht er Schulklassen im Vielvölkerstaat Nigeria, um darüber zu sprechen, wie wichtig es ist, sich gegenseitig um Verständnis zu bemühen. «Denn unsere gemeinsame Zukunft», so meint Tony Nwachukwu abschliessend, «hängt nicht nur vom Erhalt einer intakten Natur ab, sondern genauso stark vom sozialen Frieden.»
Blanca Steinmann / Fastenopfer
www.sehenundhandeln.ch/hungertuch
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