
Pfeiffer an der Basler Fasnacht. Foto: unsplash/Uwe Conrad
Fastnacht: Wenn die Zeiten närrisch werden
Ob Fasnet, Fasching oder Karneval - überall wird vor der Fastenzeit noch einmal ausgelassen gefeiert, mittlerweile auch wieder im reformierten Bern. Lesen Sie hier, warum die Fasnacht zu unterschiedlichen Zeiten beginnt und woher die Konfetti stammen.
Nicole Arz*
In seinem Roman «Parzival», einem der bedeutendsten literarischen Werke des Mittelalters, beschreibt Wolfram von Eschenbach um 1205 höfische Gebräuche, Ritterkämpfe und die Suche nach dem heiligen Gral. Es kommt zu einer amüsanten Szene, als Ritter Gawan, ein Neffe von König Artus, zu einem Zweikampf reiten muss. Am Ziel angekommen, empfängt ihn die Schwester des Zweikampfgegners, Antikonie, während sich dieser gerade auf der Jagd befindet. Bei der Begrüssung zwischen Gawan und Antikonie kommt es zu derart innigen Küssen, dass sich die Burgwache zum Eingreifen genötigt sieht.
Gawan und Antikonie flüchten in einen Turm. Gawan, der keine Waffen bei sich trägt, benutzt zu seiner Verteidigung ein Schachbrett und einen Türriegel. Und zu Antikonie heisst es: «Sie warf so ritterlich darein, / Dass die Kauffraun nie zu Tollenstein / Zu Fastnacht tapfrer stritten.» Es ist die älteste schriftliche Erwähnung des Wortes «Fastnacht».
Tollenstein ist das heutige Dollnstein im oberbayrischen Altmühltal. Wolfram von Eschenbach wohnte wenige Tagesreisen entfernt, sodass man vermuten darf, dass er das fastnächtliche Treiben der dortigen Marktfrauen aus eigener Erfahrung kannte.
Fasnet, Fasching, Karneval
Fastnacht – die Nacht vor Beginn der Fastenzeit – heisst im süddeutschen Raum Fasnacht oder Fasnet. In Bayern spricht man vom Fasching, das vom Fast-Schank herrührt, dem letzten Alkohol-Ausschank vor der Fastenzeit. Im Rheinland hingegen feiert man Karneval. Ein Begriff, der sich aus dem lateinischen «carne» (Fleisch) und «vale» (leb wohl) zusammensetzt. Man verabschiedet sich also vom Fleisch – und zwar für einige Wochen.
Vor Beginn der Fastenzeit aber durfte man kulinarisch noch einmal richtig zuschlagen. Auch um die Vorräte an Milch, Butter, Eiern und Käse zu vertilgen, die noch da waren. Einige der Zutaten wurden zu Gebäck verarbeitet: Berliner, Fastnachtskrapfen oder unsere Fasnachtschüechli zeugen von dieser Tradition.

Die Fastnacht wird nicht nur je nach Region anders genannt, sie wird auch anders gefeiert. So entstand in Köln um 1820 eine neue Form des Karnevals. Die gehobene Bürgerschaft gründete Festkomitees und Karnevalsvereine, die die Festivitäten fortan organisieren und lenken sollten. Die Städte Düsseldorf und Mainz zogen bald nach. Hier hatte die Strassenfastnacht politische Züge; die Trachten der Musikant:innen orientierten sich an den Uniformen der damaligen Besatzer – Franzosen, Preussen, oder wer eben gerade die linksrheinischen Gebiete für sich beansprucht hatte.
Im Süden hingegen, in den badischen und schwäbischen Landesteilen, feierte die Arbeiterklasse die Fastnacht nach mittelalterlichem Brauchtum. Hexenkostüme und schauerliche Masken wurden getragen, um die bösen Geister des Winters zu vertreiben und die guten Frühlingsgeister zu wecken. So unterschiedlich die Feiern, der Ursprung ist überall gleich: Es geht um das ausgelassene Feiern vor dem Beginn der katholischen Fastenzeit.

Unterschiedlicher Fastnachtsbeginn
Auf dem Konzil von Benevent, 1091, wurde die Dauer der Fastenzeit auf 40 Tage festgelegt. Um die lange Zeit etwas abzumildern, nahm man die Sonntage vom Fasten aus und kam so, von Ostern aus rückwärtszählend, auf einen Mittwoch, den Aschermittwoch, als ersten Tag der Fastenzeit. Die Fast-Nacht war entsprechend am Dienstag davor. Feierte man zunächst nur einen einzigen Tag, waren es ab dem 16. Jahrhundert bereits drei.
Die «drei scheenste Dääg», wie man in Basel sagt. Dass diese erst am Montag nach dem Aschermittwoch beginnen, hat keinen Bezug zur Reformation, der Grund ist vielmehr, dass seit dem erwähnten Konzil tatsächlich zwei Fastnachtstermine nebeneinander existieren. Nicht alle waren damit einverstanden, die Sonntage in der Fastenzeit nicht mitzuzählen, was den Unterschied von sechs Tagen erklärt. Den frühen Beginn nennt man auch die «Herren-» oder «Pfaffenfastnacht», während die Basler:innen die «Bauernfastnacht» feiern.
Bereits aus dem 13. Jahrhundert sind sogenannte «Narrenmessen» überliefert. Parodien der Heiligen Messe mit Anzüglichkeiten und derben Witzen. Dabei wurde Kritik an Kirchen und Klöstern geübt. Auch diese Tradition hat sich gehalten in den Schnitzelbänken und Sujetwagen der Umzüge, die Zeitgeschehen und Politik auf die Schippe nehmen.
Konfetti
Nicht wegzudenken aus dem närrischen Treiben, ist das Konfetti. Das Wort stammt aus dem Italienischen, wo es Zuckerzeug oder Konfekt bedeutet. Tatsächlich wurden vor rund 200 Jahren beim italienischen Strassenkarneval Süssigkeiten in die Menge geworfen, was in den rheinischen Gebieten von Mainz bis Köln bis heute noch der Fall ist. In den meisten anderen Gegenden ist das Konfekt bunten Papierschnipseln gewichen.
Wo auch immer in der Schweiz Konfetti durch die Luft wirbeln, stammen sie aus Näfels, wo die einzige Konfettifabrik des Landes steht. Um die 300 Tonnen Konfetti werden in Näfels jedes Jahr produziert und sämtliche Warenhäuser der Schweiz damit beliefert.
Weltkulturerbe Basler Fasnacht
In Basel heisst das Konfetti übrigens «Räppli». Auch dort können sie nur in Säcken zu je einer Farbe gekauft werden. Wer also gemischtfarbige Räppli wirft, hat diese vom Boden aufgesammelt. Und das wird gar nicht gerne gesehen – zumal die Räppli in Basel nicht nur geworfen, sondern auch ab und zu in die Kleider gestopft werden.
Die Basler Fasnacht ist aufgrund ihrer einzigartigen Rituale, Kostüme und Larven – die Masken heissen dort so – 2017 in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. In ihrer heutigen Form gibt es sie seit rund 150 Jahren. Die Regeln sind streng – auch für die Zuschauenden. Sie sollen sich nämlich nicht verkleiden, nicht schunkeln und nicht singen. Verkleidet sind nur die Mitglieder der verschiedenen Cliquen und Musiken.
Im Jahr 1529 hatte sich Basel offiziell zur reformierten Stadt erklärt. Damit wurde das Fastenobligatorium abgeschafft und die Fastnacht verboten. Allerdings konnte die Obrigkeit dieses Verbot in Basel nicht durchsetzen und so blieb die Basler Fastnacht als einzige «protestantische Fastnacht» der Schweiz erhalten.
Fastnacht in Bern
In Bern hingegen tilgte die Reformation Fastnacht und Fastenzeit für Jahrhunderte. Erst seit 1982 wird sie hier wieder gefeiert – und zwar sehr erfolgreich. Denn mittlerweile ist die Berner Fastnacht, die sich rund um den für den Winterschlaf im Käfigturm eingeschlossenen Bären abspielt, nach Basel und Luzern nicht nur der drittgrösste Anlass dieser Art im Land, sondern auch ein preisgekrönter: Der «Bärner Fasnachtsverein» erhielt 2007 von der Burgergemeinde den mit 100000 Franken dotierten Kulturpreis und wurde geehrt für das «unbeirrte Engagement und den Ideenreichtum». So geht Fasnacht!
* Nicole Arz ist Leiterin der Redaktion kathbern