Kann eine Frau Christus repräsentieren? Bischof Felix Gmür sieht da «kein grundsätzliches theologisches Hindernis». Foto: Pia Neuenschwander
Felix Gmür schreibt im Buch «Frauen ins Amt»
Der Beitrag von Bischof Gmür im Wortlaut
In ihrem ersten Buch publizierte die Benediktinerin Philippa Rath 150 Texte von Frauen, die sich zur Priesterin berufen fühlen. Im Folgeband «Frauen ins Amt» schreiben 100 Männer, die sich mit dem Anliegen solidarisieren. Das «pfarrblatt» dokumentiert den Beitrag von Felix Gmür, Bischof von Basel, mit seiner Erlaubnis und jener des Verlags integral im Wortlaut.
«Den Horizont weiten»
Von Felix Gmür, Bischof von Basel
Kann das eine Frau? Darf sie das? Das Bistum Basel ohne Seelsorgerinnen und Gemeindeleiterinnen, Katechetinnen, Frauen im Bischofsrat und Leiterinnen von diözesanen Einrichtungen ist nicht vorstellbar. Als Bischof schätze ich es sehr, in gemischten Teams zuarbeiten, ja mehr noch, ich bin davon überzeugt, dass es sich die Kirche weder leisten kann noch darf, auf den Einsatz von Frauen zu verzichten, und das auf allen Ebenen.
In unserem Bistum stehen Frauen dieselben Möglichkeiten offen wie nicht-geweihten Männern. Sie haben einen vergleichsweise grossen Spielraum in ihrem Wirken. Das hängt auch damit zusammen, dass die kirchliche Organisation und die (kirchliche) Kultur in weiten Teilen der Schweiz ganz anders ist als im benachbarten Ausland. Gleichzeitig kennen wir die klare Grenze, wenn es um Frauen als ordentliche Spenderinnen von Sakramenten geht. Frauen gehören nicht zum Klerus.
Zuweilen werde ich aufgefordert, mutig zu sein und bewährte Frauen zu Priesterinnen zu weihen. Die menschlichen, fachlichen und spirituellen Fähigkeiten vieler Frauen zur Erfüllung der mit dem Ordo verbundenen Dienste (Verkündigung, Heiligung, Leitung in der Vollmacht Christi) stehen für mich außer Frage. Mit Mut hätte die diözesanveranstaltete Weihe von Frauen allerdings nichts zu tun. Die Kirchengeschichte lehrt uns, dass aus solchen von der Weltkirche unabhängigen Schritten Spaltungen hervorgehen, die Kirche sich aber nicht wesentlich verändert.
Es geht um die Frauen und die Gerechtigkeit ihnen gegenüber. Es geht um ihre Berufungen. Aber das ist nicht alles. Es geht auch um Männer, es geht um die ganze Kirche, d. h. um Jesus Christus und damit um die Verkündigung und Bezeugung der Botschaft von Kreuz und Auferstehung. Um dafür den Boden zu bereiten, hat sich die Kirche schon immer in neue Kulturen eingegliedert. Ein in unserer Kultur glaubwürdiger Katholizismus kommt nicht um die Gleichstellung von Frau und Mann herum, die in derselben Würde ihren Grund hat, sich aber nicht darin erschöpft, sondern auch die Ausgestaltung von gleichen Pflichten und Rechten braucht. Die Inkulturation in der hiesigen Kultur ist nicht abgeschlossen. Sie ist ein Prozess, der weitergeht.
In unseren Prozessen nehme ich einen starken Fokus auf die persönliche Seite der Berufung wahr. Manche sind der Auffassung, die Kirche müsste Frauen sofort zum Weihesakrament zulassen. Wenn ich anmahne, dass es sinnvoll ist, zuerst oder zumindest gleichzeitig die Ämtertheologie zu überdenken, werde ich als Bremser gescholten. Aus der Sicht von Frauen kann ich das nachvollziehen. Meine Frage aber ist, ob die Weihe von Frauen nicht zur Klerikalisierung der ganzen Kirche beiträgt, die ja ständig, auch von Frauen, gebrandmarkt wird. Deshalb möchte ich den Horizont weiten und fragen: Was braucht die Kirche, damit sie Sakrament ist, heilswirksames Zeichen für die Menschen?
Christliches Menschenbild gründet in der Gottebenbildlichkeit und in der Alterität und Komplementarität von Mann und Frau. Schöpfungstheologisch vermag ich nicht zu sehen, dass in Bezug darauf, Abbild Gottes zu sein, also zu repräsentieren, zwischen Mann und Frau ein Unterschied gemacht wird. Ist der Unterschied weihetheologisch aufrechtzuerhalten? Vor aller Diskussion über die Zulassung von Frauen zum Weihesakrament muss in der Kirche ein theologischer Konsens über die sakramentale Verfasstheit der Kirche bestehen und darüber, dass es das Weihepriestertum braucht. Sonst reden wir an der Sache vorbei.
Ist dies geklärt, geht es um die Frage, ob eine Frau Christus sakramental und kirchenamtlich repräsentieren kann. Ich sehe da kein grundsätzliches theologisches Hindernis. Manchmal geht es aber auch um einen Leitungsanspruch. Das muss nicht schlecht sein. Vielleicht müsste man sakramentale Repräsentation und Leitung ämtertheologisch besser unterscheiden, die Ämter neu ordnen, den Ordo theologisch neu fassen. Was genau ist ein Diakon? Welches ist sein Dienst? Ihr Dienst? Was genau ist der priesterliche Dienst? Was heisst in diesem Zusammenhang Macht, was Vollmacht? Eine Neuentdeckung des umfassenden, sakramentalen Auftrages der Kirche bedarf einer Ausweitung des Weiheverständnisses. Eine Wiederbelebung der Tradition verschiedener Weihen und geistlicher Beauftragungen verspricht nicht nur eine neue Akzentuierung der verschiedenen Dienste in der Kirche. Sie wirkt auch dem Klerikalismus entgegen, d. h. der Ausschaltung des Volkes Gottes, zugunsten einer Kirche, die einen partizipativen Geist atmet und sich als Dienst Gottes für die Menschen versteht – eine diakonische Kirche im wahrsten Sinne des Wortes, mit geweihten und nicht-geweihten Frauen und Männern.
Nach den Frauen die Männer
Was wäre für die Kirche und für Sie persönlich anders, erfüllender, wegweisender, wenn eine Frau das Evangelium verkünden, predigen, Eucharistie feiern, Sakramente spenden und Gemeinden leiten würde? Was wünschen Sie sich als Perspektiven für die Frauen in der Kirche?
100 Kirchenmänner - Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien aus dem gesamten deutschen Sprachraum – stellen sich dieser Frage im Buch «Frauen ins Amt» der Benediktinerin Philippa Rath und des Priesters Burkhard Hose, Priester. Die Männer berichten davon, dass sie «das Gegenüber der Frauen in der Seelsorge und das gemeinsame Engagement der Geschlechter in der Pastoral vermissen» heisst es in der Ausschreibung. Sie fordern die Kirche auf, «die vielfältigen Charismen und Begabungen der Frauen ungehindert wirksam werden zu lassen».
Nebst dem Basler Bischof Felix Gmür sind aus der Schweiz vertreten: Daniel Bogner, Professor für theologische Ethik, Niklaus Brantschen, Jesuit, Nicolaas Derksen, Theologe, Franz Kreissl, Leiter Amt für Pastoral und Bildung St. Gallen, Wolfgang Müller, Diakon, und Martin Werlen, Benediktiner und ehemaliger Abt des Klosters Einsiedeln.
Ausserdem kommen zu Wort: Anselm Grün, Benediktiner und Autor, Andreas Knapp, Priester und Autor, Klaus Mertes, Jesuit, Wunibald Müller, Theologe und Psychotherapeut, sowie die Bischöfe und Weihbischöfe Gerhard Feige, Magdeburg, Jacques Gaillot, Evreux, Matthäus Karrer, Rottenburg-Stuttgart, Erwin Kräutner, em. Bischof von Xingu, Brasilien, Reinhard Marx, München-Freising, Ludger Schepers, Essen, Heiner Wilmer, Hildesheim, Franz-Josef Bode, Osnabrück.