Felix Weder-Stöckli ist Gehörlosenseelsorger. Foto: Nicole Arz

Felix Weder

22.05.2013

In der Kirche bin ich derjenige, «der gebärdet»

Felix Weder-Stöckli (56) ist seit 2009 Gehörlosenseelsorger für Solothurn, Bern und beide Basel.

Interview: Nicole Arz

Was lieben Sie an Ihrer Tätigkeit?
Gehörlose schauen einem ins Gesicht. Gebärden sind nur mit Blickkontakt möglich und genau so das Lippenlesen. Beides ergänzt mit Mimik und Gesichtsausdruck. Das ermöglicht Nähe und fordert Präsenz. Ich liebe es, wie Gespräche mit den Gehörlosen wachsen. Ich sehe Gesichter und Gebärden. Wichtig ist, dass die Gehörlosen mir Vertrauen schenken. Dann fliessen Tränen und der ganze Mensch lacht, Geschichten kommen ans Licht. Und ich liebe die Gottesdienste mit den Gehörlosen. Ich gehe mit einem Thema schwanger. Lasse es in meinem Herzen wachsen. Ich suche Bilder dazu und schreibe Texte. Aber aufgepasst: Kein Satz mit mehr als einem Komma! Bild und Text kommen auf meinen Mac, ich packe die Kommunion und den Beamer ein und los geht es mit der Bahn zum Gottesdienstort. Die Feier kann beginnen.

Was ist Ihnen eher lästig?
Die Missverständnisse. Ich suche sie nicht. Ich kenne sie aus der Welt der Hörenden. Und ich finde sie auch bei den Gehörlosen. Ich lerne, auf mich und die andern zu hören und in die Augen zu schauen. Und frage immer wieder nach.

Schildern Sie einen schwierigen Moment!
Ich war seit einem halben Jahr bei den Gehörlosen beider Basel tätig. Letzten September traten vier der acht Freiwilligen des Mitarbeiterkreises zurück. Zwei Personen arbeiteten 26, eine über 40 Jahre mit. Ich verstand sie sehr, sagte das ihnen auch. Meine grosse Sorge war: «Wie komme ich zu neuen freiwilligen Mitarbeitern? » Ein kleines Wunder geschah: Bereits an der nächsten Sitzung hörte ich von drei neuen Personen für den Mitarbeiterkreis. Ihr könnt euch vorstellen, wie erleichtert ich war.

Erzählen Sie von einem berührenden Erlebnis!
Ich suchte mit den Gehörlosen nach einem treffenden Namen für die Gehörlosenseelsorge. Es brauchte einige Umwege. Am 21. Juni 2011 war es so weit: Wir konnten den neuen Namen «verstehen?! » mit einer Taufe feiern. Die Feier berührte nicht nur mein Herz. (Bilder und Videos auf www.kathbern/gehoerlose unter Taufe.)

Worauf vertrauen Sie in Ihrem Leben?
Auf Gottes Begleitung – die habe ich besonders bei schwiergen Aufgaben erfahren dürfen. Nicht immer gerade sofort, ich habe auch gelernt, mich in Geduld zu üben.

Wie leben Sie?
Mit meiner Frau und dem jüngsten Sohn in einer Mietwohnung in Ipsach bei Biel. Zwei Söhne und eine Tochter leben selbständig.