«Manchester by the Sea», USA 2016, Regie: Kenneth Lonergan, mit: Casey Affleck, Lucas Hedges, Michelle Williams; im Kino.
Film - Manchester by the sea
Eine präzise Schmerzanalyse an wilder Küste
Von seinem Hausmeisterjob in Boston ist Lee Chandler (tolle Performance: Casey Affleck) angeödet und von zwischenmenschlichen Beziehungen scheint er nicht viel zu halten. Er ist wortkarg und in sich gekehrt, in seinem Leben gleicht ein Tag dem anderen. Wenn er einmal in Kontakt mit Menschen tritt, dann nur, um sich mit ihnen zu prügeln. Seine Kellerwohnung steht sinnbildlich für sein Innerstes, es scheint, als hätte er sich selbst vor langer Zeit aufgegeben.
Die Nachricht vom Tod seines herzkranken Bruders reisst ihn jedoch aus seinem emotionalen Gefängnis und bringt ihn zurück in seine Heimatstadt an der Küste Neuenglands. Dort wird er mit seiner albtraumhaften Vergangenheit, seinen Ängsten und Unzulänglichkeiten konfrontiert.
Ausdrucksstark sind die Bilder, zurückgenommen die Farben, die Natur wild-herb – hier, an der Küste, bekommt man nichts geschenkt. Und so sind auch die Menschen: kämpferisch wie das Meer, an dem sie leben. Doch wie viel Leid kann man ertragen, ohne daran zugrunde zu gehen?
Dieser Frage geht Kenneth Lonergan in seiner erzählerisch wie schauspielerisch beeindruckenden Geschichte nach. Er zeigt uns Menschen, die alles verloren haben und auf so schmerzvolle Art und Weise, dass man es als Zuschauer am eigenen Leib spüren kann. «Manchester by the Sea» ist kein pompöses Hollywooddrama über Verlust und Vergebung, sondern eine präzise Schmerzanalyse. Tieftraurig zwar, aber auch humorvoll und in jeder Sekunde glaubhaft.
Sarah Stutte, Filmjournalistin
www.universalpictures.ch/manchesterbythesea