«Son of Saul» («Saul fia»), Ungarn 2015, Regie: László Nemes, Besetzung: Géza Röhrig, Urs Rechn, Todd Charmont. Ab 17. März im Kino.

Film - Son of Saul

15.03.2016

Der Film von László Nemes zeigt die unfassbare Realität der Konzentrationslager aus ungewohnter Perspektive.

Kann man das Konzentrationslager zeigen, ohne es zu banalisieren? Lange galt die Antwort von Claude Lanzmann mit seinem dokumentarischen Opus «Shoa» (1985) als definitives «Nein». Mit «Son of Saul», der in Cannes mit dem Grossen Preis ausgezeichnet wurde und den Oscar für den besten fremdsprachigen Film erhalten hat, ist die Debatte neu entfacht. Mit einem ästhetischen Konzept, das die Erlebnisse der Opfer als Fokus wählt, ist selbst ein Spielfilm möglich!
Saul ist Mitglied eines Sonderkommandos, das in den Gaskammern Handlangerarbeit machen muss: Menschen ziehen an ihm vorbei, die sich ausziehen müssen. Dann gilt es, die Kleider auf Wertgegenstände zu durchsuchen, die toten Körper hinauszubefördern und die Gaskammern zu reinigen. Eigentlich sind diese Bilder und Szenen nicht zu verkraften. Und dennoch gelingt es László Nemes, dem ungarischen Regisseur jüdischer Herkunft, eine adäquate Herangehensweise und Erzählhaltung zu finden. Alle Ereignisse werden strikt aus der Perspektive der Hauptfigur gezeigt. Die Fragmente dieser Wahrnehmungen setzen sich langsam zu einem grösseren Bild zusammen, das aber erst im Zuschauererlebnis entsteht. Das «Wie» dieser subjektiven Montage ist derart neu und in ihrem Effekt überraschend, dass man hier von einem aussergewöhnlichen Zugang sprechen kann. Wer sich auf dieses Meisterwerk einlässt, erlebt eine Hommage an die Opfer, die es so im Kino noch nie gegeben hat.

Charles Martig

Anmerkung: Der Film wurde mit dem Oscar in der Kategorie «Bester fremdsprachiger Film 2016» ausgezeichnet. Bei den Golden Globe Awards 2016 konnte er den Preis als bester fremdsprachiger Film gewinnen. Zuvor wurde er bereits mit dem «Grossen Preis der Jury» bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes 2015 ausgezeichnet.
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